7. November 2005
Vorsätzliche Verunsicherung
Wer sich schon einmal ...

... Gedanken über das Denken ansich gemacht hat, dem ist vielleicht aufgefallen, daß er selten genau bestimmen kann, woher seine Gedanken eigentlich kommen. Hat er sie sich selbst gemacht? Wurden sie durch äußere oder innere Reize ausgelöst? Was ging einem speziellen Gedanken voraus?

Denkprozesse sind oft so flüchtig, daß es unmöglich wird, sie klar und deutlich wahrzunehmen. Allein der Versuch, diese flüchtigen Gedankenfetzen, die vermutlich eine Art vorbewußter Gehirntätigkeit darstellen, schärfer wahrzunehmen, verscheucht sie. Der durchschnittliche Mensch kann deshalb selten genau erkennen, wie seine Gedanken zustandekommen, was ihnen zugrunde liegt und welche Überlegungen ihnen vorausgingen. Noch weniger kann man das bei anderen durchschauen, und schon gar nicht in Internetforen, wo sich die Leute gewöhnlich nur über ihre Nicknames und Postings kennen.

Dennoch glauben die meisten, das Denken sei eine rein rationale Angelegenheit und schon allein deshalb ein Ausdruck von Bewußtsein und Nüchternheit. Denken ist aber ein fließender Prozeß, an dem nicht allein der Neokortex – jener für die bewußte Denkarbeit zuständige Bereich – beteiligt ist, sondern ebenfalls die bislang gemachten Erfahrungen, die geistig-seelische Verfassung, die Haltung zur Welt und Umwelt und viele weitere Reize, denen wir beim Denken ausgesetzt sind. Goethe nannte Denken ein "Warten auf einen guten Einfall", der logischerweise nicht aus dem rationalen Bewußtsein kommen kann, sonst bräuchte man ja nicht darauf zu warten, weil er schon da wäre.

Um Denkmanipulationen nachvollziehen zu können, muß man sich diese Ströme aus allen Richtungen hin zum rationalen Bewußtsein bildlich vorstellen: Der Manipulateur unserer Gedanken installiert allerlei Weichen und Ablenkungen im Denken des Opfers, um es zu Denk-Resultaten im Sinne des Manipulateurs zu bewegen. Dafür gibt es inzwischen langjährig bewährte Techniken, die man kennen sollte, will man sich erfolgreich gegen Gedanken-Manipulation zur Wehr setzen.

Der Manipulator benötigt unsere Aufmerksamkeit, um sein schändliches Ziel zu erreichen. Er ist darauf angewiesen, daß wir uns seiner Beeinflussung gegenüber öffnen, daß wir Vertrauen in seine Äußerungen setzen und uns einen Nutzen davon versprechen, wenn wir uns auf ihn einlassen. Der beste Zugang für den Manipulateur besteht daher im Erzeugen von Verwirrung und Verunsicherung. Zum Beispiel wird der Versicherungsvertreter meist eine unterschwellige Angst bei seinem Kunden erzeugen, indem er ihm die unabsehbaren finanziellen Folgen einer durchaus vorstellbaren kritischen Situation so darlegt, daß der potentielle Kunde davon verunsichert wird oder, wie man auch sagt, ins Grübeln kommt – also einen neuen, von vorne herein mit Angst verknüpften Denkprozeß beginnt. Durch die so einsetzende Verwirrung legt er das kritische Bewußtsein seines Opfers für eine Weile lahm – das Fundament seines weiteren Vordringens. Das Opfer wird so in eine Haltung gebracht, die man gewissermaßen als Unterwerfung unter die Kenntnisse des Manipulateurs bezeichnen kann. Es wird vielleicht verlegen sein, sich etwas minderwertiger fühlen als vor dem Einsetzen der Angst, was dem Manipulateur die Möglichkeit verschafft, dem Opfer nun einen Ausweg aus seinem Dilemma anzubieten: den Versicherungsvertrag. Üblicherweise geht der routinierte Versicherungsvertreter dabei so vor, daß er durch weitere vorsichtige Indoktrination – indem er z.B. alle Einwendungen des Kunden mit schlagkräftigen Argumenten auflöst – dem Opfer keine andere Möglichkeit als Ausweg mehr läßt: es muß den Vertrag unterschreiben oder in seinen Ängsten verharren. Wir können also eine ganz bestimmte Vorgehensweise kurz skizzieren:

1. Verwirrung der Aufmerksamkeit;
2. Aufnahmebereitschaft durch Verunsicherung und
3. die Abwertung aller anderen Ziele.

Denkmanipulation ist dadurch gekennzeichnet, daß sie in den Denkprozeß eingreift, um die von ihr gewünschten Denkresultate zu erzielen. Doch wie läuft der Denkprozeß ab? Wie finden wir heraus, wie wir denken?

Um sich einmal selbst beim Denken beobachten zu können, ist der folgende Selbstversuch hilfreich: Versuche, aus den drei Wörtern Physik, Silvester und Afrika einen Satz zu bilden. Laß dir damit Zeit, mindestens ein paar Minuten. Achte dabei darauf,* was sich als erstes bildet, wie sich diese Anfangsbildung in Gedanken weiterentwickelt, bis ein faßbarer Gedanke da ist. Versuche erst im Anschluß daran, diesen Ablauf zu schildern, berücksichtige dabei die Gefühle, die du zu den einzelnen Wörtern empfindest, welche Erinnerungen und andere Gedanken durch die vorgegebenen Begriffe ausgelöst werden und wie sich dieser ganze "Gedankenwust" in einen faßbaren Gedanken ergießt.
* Beachten meint hier nicht analysieren oder gedanklich kommentieren, denn das würde einer Störung des sich anbahnenden Denkprozesses gleichkommen. Vielmehr sollte man nur beobachten, unauffällig, wie aus den Augenwinkeln, ohne zu versuchen, das Beobachtete sofort zu interpretieren. Beim einen oder anderen erfordert dieser Versuch ein wenig Übung. Laßt euch also nicht entmutigen, wenn es nicht gleich beim ersten Versuch klappt.

Eine solche Selbstbeobachtung führt zu der Feststellung, daß unser Denken aus einem gegebenen Chaos eine Ordnung gewinnt – sie irgendwie herausdestilliert. Zuerst stellt sich eine Art Stilltand, ein Spannungsumschwung ein: wir horchen in uns hinein und warten auf einen Einfall. Der Neokortex richtet sich neu aus. Die Wörter lösen in uns bestimmte Vorstellungen (Begriffshöfe) aus wie z.B. ein Zahnrad beim Wort "Physik" oder ein Feuerwerk bei "Silvester". Diese Begriffshöfe sind für den professionellen Manipulateur von ganz besonderem Interesse, weil in dieser recht unbewußten Phase des Denkprozesses auf einfache Weise die Denkrichtung beeinflußt werden kann. Das Warten auf den Einfall, diese gespannte Aufmerksamkeit, nimmt alles entgegen, was sich in dieser Phase anbietet. Die Bilder nämlich, als Ausgangslage unseres Denkvorgangs, sind nicht jedesmal dieselben, die Begriffs-Höfe unterscheiden sich von mal zu mal. Sie sind dynamisch, weil sie neben den bereits vorhandenen Verknüpfungen auch Neues, Aktuelles zulassen. Sie können daher durch eine vorangegangene Erwähnung oder einen sonstigen Reiz beeinflußt werden, so daß dem einen oder anderen Begriff unabsichtlich eine größere Bedeutung beimessen wird als ohne diesen vorher empfangenen Reiz.

Dieses Experiment zeigt, daß wir in den Vorstadien unserer Denkprozesse relativ schutzlos und deshalb manipulierbar sind, weshalb die Reklame-Strategen vorwiegend mit Bildern und Tönen arbeiten (in Kaufhäusern zusätzlich mit Düften), um Emotionen, Bedürfnisse und Schuldgefühle auszulösen – letztlich eine Spannung aufzubauen, für deren Entladung sie dann ein genau passendes Produkt anbieten. Unser manipulierender Versicherungsvertreter greift in diese vorbewußten Denkstadien, in denen das kritische Denken noch nicht eingesetzt hat, zum richtigen Zeitpunkt ein. So ist es zu erklären, warum auffallender Unsinn in der Werbung so erfolgreich sein kann (weiß, weißer, am weißesten = blanker Unsinn, weißer als weiß gibt's nicht).

In der zwischenmenschlichen Diskussion kommen dieselben Taktiken zur Anwendung wie in der professionellen Manipulation: Verwirren, Verunsichern, Abwerten. Schaut man sich die Debatten der Internet-Foren einmal hinsichtlich dieser drei Faktoren an, findet man sie in fast allen Auseinandersetzugen verwirklicht. Um diese Ziele – Verwirren, Verunsichern, Abwerten – zu erreichen, greifen auch hier die Manipulateure auf ganz bestimmte und aus der Fachliteratur sattsam bekannte Verfahrensweisen (Tricks) zurück. Die folgende Auflistung bietet eine Auswahl möglicher Verwirrungs-Taktiken:

1. Der Manipulateur schafft durch Verwirrung und absichtliche Störung (z.B. durch die berüchtigten Kaffee- und Kuchen-Smalltalks, die absolut nichts mit dem Diskussionsthema zu tun haben) ein künstliches Durcheinander in der Diskussion, um z.B. sich oder dem Publikum das Gefühl zu vermitteln, aus der Diskussion als Gewinner hervorgegangen zu sein.

2. Der Manipulator verdreht Wortbedeutungen (= semantischer Terrorismus). Höhere Preise werden gerne zu neuen Preisen (was neu ist, scheint begehrenswert), Wirtschaftsflaute wird zu Nullwachstum (= Wachstum suggerieren, wo keines ist), Personalabbau wird zu Dolores (eine Aktion der Daimler-Benz-AG aus dem Jahr 1995 zur Verschleierung ihrer Entlassungswelle), Wehren gegen persönliche Beleidigung und Manipulation wird als Überempfindlichkeit ausgelegt u.v.a.

3. Der Manipulator arbeitet mit scheinbaren Tatsachen, wie sie beispielsweise in der Präzisionsfalle verwendet werden: "85 Prozent der Käufer wählen unser Produkt". Hier kann man mit der Entgegnung "traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast", wirkungsvoll kontern. Nebenbei bemerkt wird die Qualität eines Produkts immer seltener durch die Anzahl der Käufer, die es findet, garantiert.

4. Mit einem Eingriff in die Wortbedeutung eines umstrittenen Begriffs säht der Manipulateur Verwirrung und erschwert so die Diskussion unnötig. Ein gutes Beispiel ist hier die Verwendung des Begriffs "Manipulation", den ich zu Beginn der Artikelserie über Manipulation genau definiert habe, was aber so manchen Leser nicht davon abhalten wird, ihn weiterhin so zu verstehen, wie er das bisher gewohnt war. (Nur weil ich das aber nicht mitbekomme, bleibe ich von der drohenden Verwirrung verschont.)

5. Der Manipulator vermeidet gefährliche Wörter, die seine Absichten entlarven könnten. Goebbels hatte seinerzeit befohlen, den Begriff "Attentat" aus dem Vokabular der Journalisten zu streichen. Und im Begriff "Reklame" steckt "etwas für sich reklamieren", weshalb eine vor ca. 30 oder 40 Jahren gestartete Kampagne den Leuten beibrachte, künftig nur noch den viel weicher klingenden Begriff "Werbung" zu verwenden – ein bis dato allein der Brautwerbung vorbehaltener Begriff, der wegen der angenehmen Gefühlen, die Gedanken an Bräute und Brautwerbung gewöhnlich auslösen, die Reklame der kritischen Betrachtung weitgehend entzieht.

6. Der Manipulator verwendet mit Vorliebe Schlagwörter, die sich durch eine allgemein höhere emotionale Besetzung auszeichnen, um einer Sache mit diesen catchwords eine größere Bedeutung zuzumessen.

7. Der Manipulateur mißbraucht Begriffe des Gegners, um sie gegen ihn zu verwenden bzw. um die Argumentation des Gegners zu schwächen. Gerade in Internet-Diskussionen über Politik kann das sehr schön beobachtet werden. So wird z.B. der Kommunismus als Lehre und Philosophie mit dem Hinweis auf die harschen Methoden des ehemaligen Ostblocks verteufelt, mit Stalinismus gleichgesetzt und dadurch der eigentliche Begriff verdorben. Tatsächlich gab es aber bislang noch nirgends ernsthafte und nachhaltige Versuche, kommunistische Vorstellungen umzusetzen. Alle sogenannten kommunistischen Führer haben lediglich diesen Begriff mißbraucht, um ihre eigenen Ziele zu erreichen (Stalin z.B. glaubte sich allmächtig und litt deshalb unter zunehmendem Verfolgungswahn, galt aber bei Ausländern als Kommunist und Führer der weltweiten kommunistischen Bewegung). Ein anderes gutes Beispiel stellte die Bezeichnung "Deutsche Demokratische Republik" dar: Dieser Staat hatte mit Demokratie soviel am Hut wie der Sadist mit Respekt vor dem Lebendigen.

8. Der Manipulator verwendet emotionsgeladene Begriffe, die bei genauerer Betrachtung keinen greifbaren Inhalt transportieren wie "Moral", "Anständigkeit", "Lebensqualität", "Hoffnung" und dergleichen, die dann bei Bedarf vom Manipulator selbst mit den Bedeutungen belegt werden, die seinem Ziel entsprechen.

9. Der Manipulator benutzt Fremdwörter, um sich damit einen Anschein von Autorität und wissenschaftlicher Bildung zu verleihen – eine ebenfalls sehr häufige Taktik, die meist eingesetzt wird, wenn der Manipulateur nicht über fundiertes Basiswissen verfügt. Bei einigen scheinen lateinische Zitate beliebt zu sein, weil sie genau wissen, daß heute kaum noch jemand Latein versteht, andere wiederum bevorzugen das Französische, um mit ihrer Sprachkenntnis zu protzen – wobei niemand so ohne weiteres nachprüfen kann, ob sie nicht mehr als nur ein paar Brocken beherrschen: der Schein ist ihnen wichtiger als das Sein.

Doch nicht nur Verwirrung, auch Verunsicherung kommt dem Manipulateur zugute:

1. Der Manipulator betreibt moralische Aufweichung, indem er logische Begründungen für ethisch-moralisches und verantwortungsvolles Handeln fordert, z.B. "Was ist falsch am Vorteilsstreben?" oder "Heute nimmt man mit, was man kriegen kann." oder "Mitleid kann man sich heute nicht mehr leisten." und dergleichen mehr.

2. Der Manipulateur verschweigt Tatsachen. Viele nützliche Untersuchungen und Entdeckungen zu allen möglichen Themen verschwinden in den Schubladen von Unternehmen und Behörden. In Internetforen wie im realen Leben wird häufig mit Halbwahrheiten argumentiert.

3. Der Manipulateur arbeitet mit Fangfragen, in denen Irreführungen oder unbegründete Voraussetzungen verborgen sind. Beliebt sind Fragen zu Bereichen, die nur ein ausgewiesener Spezialist kennen kann, mit dem Ziel, den Gegner als dumm und desinformiert hinzustellen. Andere Variationen legen in die Frage schon ein abschließendes Urteil: "Was sagen Sie zu der moralischen Fragwürdigkeit dieser Sache?", obwohl zuvor nicht geklärt wurde, ob diese Sache tatsächlich moralisch fragwürdig sei.

4. Der Manipulator verwendet gerne mehrdeutige Begriffe, die es ihm gestatten, den Streitpunkt heimlich und unbemerkt von einem ihm unangenehmen Thema auf ein angenehmeres zu verschieben.

5. Der Manipulator bietet Wahlmöglichkeiten an, die keine sind, auch als Fehlschluß der falschen Alternative bekannt. Beispiel: "Prinzipiell gibt es nur diese beiden Möglichkeiten ...", obwohl noch gar nicht über die verfügbaren Möglichkeiten diskutiert wurde. Oder: "Wenn Sie zulassen, daß dieser Mann weiterhin hier beschäftigt wird, wiegelt er uns noch die ganze Belegschaft auf mit seiner oberkritischen Art" – eine Wenn-Dann-Einschränkung, die zumeist nur auf dieser einen Behauptung basiert und doch wirkungsvoll eine kommende Bedrohung skizziert.

6. Der Manipulator wird zum Augenblicksdogmatiker: Je nach Situation fühlt er sich bemüßigt, etwa folgenden Satz zum Besten zu geben, hier im Falle eines Betrugsverdachts: "Wieso haben die das nicht bemerkt? Das hätte man doch merken müssen, daß sich hier ein Betrug anbahnt!" und wenn sich der Verdacht dann doch nicht bestätigt, werden die Verantwortlichen dafür kritisiert, daß sie angesehene Bürger verdächtigen.

7. Der Manipulator verdreht die Meinung seines Gegners – eine clevere Variation des Dummstellens, die den Gegner und das Publikum verwirren soll, so daß nicht mehr ganz klar ist, was der Gegner wirklich gesagt hat. Wird der Manipulator dabei ertappt, kann er sich auf die Behauptung zurückziehen, er hätte ihn falsch verstanden.

8. Der Manipulator greift zu einer unzulässigen, weil unbegründeten Verallgemeinerung, um daraus eine Gesetzmäßigkeit abzuleiten, mit der er dann den Gegner widerlegen kann.

9. Der Manipulator baut auf den Druck der Allgemeinheit, indem er darauf hinweist, daß es schließlich alle so machen. "Eine Million Fliegen fressen Scheiße – eine Million Fliegen können sich nicht irren".

10. Der Manipulateur äußert an verschiedenen Orten unterschiedliche Ansichten zum selben Thema, wie man das häufig bei Politikern beobachtet, die im Parlament eine völlig andere Meinung vertreten als auf ihren Wahlkampagnen. Ein weiteres Beispiel wäre der Ehemann, der in der Kneipe damit angibt, wie gut er seine "Alte" im Griff habe, zu Hause dagegen ein unterwürfiges Verhalten annimmt.

11. Der Manipulator setzt Schmeicheleien ein, um seinen Gegner in Sicherheit zu wiegen und ihn umso unvorbereiteter treffen zu können, weil der so Manipulierte von einem vermeintlich Wohlwollenden keine Angriffe erwartet. Schmeicheleien und geheuchelte Freundlicheit wirken oft benebelnd auf das Opfer und schränken somit die Kritikfähigkeit ein.

12. Der Manipulator überhört Einwände. Er wartet nur auf eine Atempause des Gegners, um seinen eigenen Gesprächsfaden wieder aufzunehmen, ohne auch nur im Geringsten auf die Argumente des Gegners zu reagieren oder gar einzugehen.

13. Der Manipulator verwendet Platitüden (Klischees, leere Worthülsen), um niemanden zu verärgern und sich so nicht für eine eindeutige Position entscheiden zu müssen. Beliebte Sätze sind etwa: "Wir stehen ein für ... blablabla" wie gerechte Wirtschaft, Arbeitsbeschaffung, soziale Gerechtigkeit etc. Klar, niemand steht öffentlich ein für eine ungerechte Wirtschaft, Arbeitsplatzvernichtung oder soziale Ungerechtigkeit, um damit Wählerstimmen zu beschaffen.

14. Der Manipulator baut Beziehungsfallen auf, die ihn z.B. einer glaubhaften Begründung für eine Ablehnung entheben. Der wohl bekannteste Fall wird in Zuckmayers "Hauptmann von Köpenick" dargestellt, wo der bedauernswerte Wilhelm Voigt (in der Verfilmung gespielt vom unvergeßlichen Heinz Rühmann) keine Aufenthaltsgenehmigung und somit keine Wohnung erhält, weil er keine Arbeit nachweisen kann, und keine Arbeit erhält, weil er keine Aufenthaltsgenehmigung hat. Ein aktuelleres Beispiel liefert die GEZ (Gebühren-Einzugs-Zentrale) mit dieser Verordnung: "Der Antragsteller hat die Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht glaubhaft zu machen." Hartz-IV-Empfänger sind nämlich von der Gebühr befreit, was aber noch lange nicht heißt, daß ein beglaubtiger Bewilligungsbescheid dazu ausreicht. Die GEZ verlangt dann häufig den Nachweis, daß man sonst keine Einkünfte habe und unterstellt damit unterschwellig Schwarzarbeit: "Von so wenig Geld kann man doch nicht leben" heißt es dann in der fadenscheinigen Begründung des Ablehnungsschreibens. (Zur GEZ siehe die wertvolle Site von Bernd Höcker.)

Zu guter Letzt seien noch einige Techniken der Abwertung aufgeführt:

1. Der Manipulator stützt sich auf Nidrigkeiten: der Verriß verkauft sich eben besser als das Lob, und am besten natürlich der höhnische Verriß, wie man ihn häufig in Internetforen wie auch in Kunstkritiken findet.

2. Der Manipulator wiederholt immer wieder dieselbe Lüge, um beim Publikum zu bewirken, daß dieser Lüge durch Gewöhnung eine gewisse Ehrwürdigkeit beigemessen oder sie am Ende gar geglaubt wird, weil man sie ständig hört.

3. Der Manipulator stützt sich auf gängige Vorurteile, die es ihm erlauben, massenweise Abwertungen in seinen Argumenten zu verstecken. Da wir kaum ohne Vorurteile auskommen, ist es sehr schwer, dem Gegner diesen Trick nachzuweisen.

4. Der Manipulator wird persönlich, um die Glaubwürdigkeit des Gegners herabzusetzen und somit seine eigene zu erhöhen: "Du kannst hier nicht mitreden. Du hast keine Kinder und deshalb kannst du auch keine Ahnung davon haben, worauf's ankommt." oder auch "Kommen Sie erstmal in mein Alter ..." oder "Nicht mal Abitur, aber große Reden schwingen."

5. Der Manipulator verwendet abwertende Begriffe, meist wie zufällig und nebenbei fallengelassen – eine Technik, auf die Marie-France Hirigoyen in ihrem Buch "Die Masken der Niedertracht" hinweist. Die Wirkung dieses Tricks besteht in der Färbung der ganzen Aussage durch den abwertenden Begriff. Das Opfer kann zumeist nicht genau sagen, weshalb es bei einer sonst eigentlich wertfreien Aussage dennoch ein unangenehmes Gefühl hat ...

6. Der Manipulator wertet eine Sache um: eine ansich harmlose Angelegenheit wird dramatisiert und eine kritische Situaion verharmlost. Beispiele stellen die Auseindersetzungen vor einigen Jahrzehnten über die angeblich wissenschaftlich erwiesene Unschädlichkeit des Tabakrauches dar oder die bis in unsere Tage praktizierte Verharmlosung der Nebenwirkungen und des Suchpotentials von Medikamenten. Eine für die Allgemeinheit eher harmlose Tatsache, daß es in Deutschland Haschisch-Konsumenten gibt, wird dramatisiert bis zum Anschlag, was im Grunde lächerlich wird, wenn man denen, die durch Haschisch erkrankt oder daran gestorben sind, jene Zahl der Kranken und Toten gegenüberstellt, die sich aus den Folgen des vollkommen legalen Alkohol- und Tabakmißbrauchs ergeben. Manch ausgeprägt labiler Mensch wird durch exzessiven Haschisch-Mißbrauch psychotisch (Haschisch-Psychose), doch an Canabisprodukten ist meines Wissens nach noch niemand gestorben.

7. Der Manipulator greift zur Herabwürdigung des Gegners. Wenn alle Argumente und Tricks versagen, um Recht zu behalten, versucht er den Diskussionspartner lächerlich zu machen: "Dieser dogmatische Besserwisser bildet sich wer weiß was ein" oder "Du hast wohl keine Freude am Leben, wenn du so daherredest" oder "Du mit deiner oberflächlichen Beobachtungen" oder "Ein lebensfremder Bücherwurm will uns die Welt erklären".