10. Januar 2008
Was uns so erzählt wird
Denk-Tabus und ihre Mechanismen

Die Psychoanalyse (PSA) ist die Wissenschaft von dem, was man nicht wissen will. Immer wenn man etwas Relevantes nicht wissen will, obwohl man es wissen könnte, wenn man mit Fakten konfrontiert wird, die wahrzunehmen man einen Widerwillen entwickelt, der in der eigentlichen Sache nicht erklärlich ist, ist die Psychoanalyse gefragt, woher diese scheinbar freiwillige Wahrnehmungseinschränkung kommt.

Um das zu veranschaulichen, möchte ich mich eines einleuchtenden Beispiels bedienen, das einen der abstrakten Kerne der PSA hervorhebt: Frag du, lieber Leser, doch einmal einen x-beliebigen Bundesbürger, wo z.B. die Fünf-Prozent-Klausel im deutschen Recht verankert sei. Zur Erinnerung: eine politische Partei gelangt nur in den Bundestag, wenn sie mindestens fünf Prozent der Stimmen auf sich vereinigen kann. Ich kann mich noch gut an meine Schulzeit erinnern, wo ich darauf getrimmt wurde, die 5-Prozent-Klausel als heilig anzusehen. Klar, daß damals keiner von der heiligen 5-Prozent-Klausel gesprochen hat. Wenn ihr dieses Experiment macht und diese Frage tatsächlich einmal stellt, wird euch fast jeder antworten: "Das steht in der Verfassung." Dort steht sie aber nicht. Die 5-Prozent-Klausel ist nur ein Gesetz, das mit einfacher Mehrheit eingeführt wurde und genau so auch wieder abgeschafft werden kann – mehr nicht. Es hat weder Verfassungsrang noch hat es etwas mit der Zwei-Drittel-Mehrheit zu tun.

Der wahre Hintergrund dieser ominösen Klausel in einem kapitalistischen Land besteht darin, Opposition zu erschweren, die nicht vom Kapital aufgebaut und unterstützt wird. Ist doch einleuchtend: wenn jemand in einem so großen Land mit über 80 Millionen Einwohnern kandidiert, kann er nicht auf Anhieb 5 Prozent erreichen. Das geht nur, wenn die Presse und andere Medien ihm den Weg ebnen, ihn bekannt machen, ihn anpreisen, groß herausstellen. Die Medien leben aber von den Anzeigenkunden, die hauptsächlich vom Großkapital geschaltet werden. Zeitungen leben nicht von den Lesern, Fernsehsender nicht von den Zuschauern. Das Geld, das sie verdienen, kommt zum überwiegenden Teil von den Werbetreibenden.

Warum werden Zeitungen dann nicht kostenlos verteilt? Die paar Euro, die durch den Verkauf hereinkommen, machen doch nur einen Bruchteil (gut ein Fünftel) gegenüber den Werbeeinnahmen der Zeitungsverlage aus. Verteilen wäre da auf jeden Fall billiger, denn der Vertrieb verschlingt etwa ein Drittel der Ausgaben. Die Antwort liegt in der Kontrolle über die Effizienz der Anzeigen: was man nicht bezahlt, liest man nicht. Wer seine Zeitung kauft statt sie jeden Morgen ungebeten im Briefkasten vorzufinden, der blättert sie auch durch, schon um nicht das etwas beklemmende Gefühl zu haben, eine nutzlose Ausgabe gemacht zu haben.

Was in der Zeitung steht, wird durch das Kapital bestimmt: durch diejenigen, die die Anzeigen bezahlen. Das gilt für alle Massenmedien, auch für die staatlichen Rundfunkanstalten, die von den Parteien kontrolliert werden, die die 5-Prozent-Hürde überwinden konnten, weil ihnen die Presse zur Seite stand.

Jetzt wird sicher in den Köpfen einiger Leser die Frage entstehen: "Wie war das dann aber mit den Grünen? Das war doch die reine Opposition!" Aber auch hier: Die Grünen hatten vom ersten Tag an eine gute Presse und waren somit auch eine "synthetische" Opposition; man unterstützte sie als das kleinere "Übel". Die damaligen Hintergründe der Unterstützung der Grünen durch die Presse sind aber so komplex, daß ich mir vorbehalte, sie eventuell ein anderes Mal zu erläutern.

Nun aber wieder zurück zu meiner Schulzeit. Als ich den Lehrer nach dem Grund für diese Klausel fragte, bekam ich zur Antwort: "Weil sonst das Chaos ausbricht." Zur Entgegnung brachte ich die Frage vor, warum denn in der Schweiz, in Italien, in Skandinavien, Portugal und Israel das Chaos noch nicht ausgebrochen sei, obwohl die keine solche Klausel haben. Meine sichtbare Verständnislosigkeit hat den Lehrer dann aber so aufgebracht, daß ich, obwohl ich ein nicht unintelligenter, aber durchschnittlicher Gymnasiast war, ihm nie wieder eine solche Frage zu stellen wagte, um es nicht völlig mit ihm zu verderben, denn schließlich wollte ich ja das Abitur machen. Doch habe ich diesen und ähnliche Vorfälle in meinem Gedächtnis immer frisch gehalten, so daß sie mir stets als leuchtende Beispiele für irrationale Argumentation zur Verfügung standen.

Andere Schüler bekamen auf diese Frage etwas gewundenere, nicht weniger irrationale Antworten: "Die Weimarer Republik ging durch die Parteienzersplitterung kaputt, deshalb brauchen wir ein starkes, rasch handlungsfähiges Parlament. Die 5-Prozent-Klausel verhindert die Parteienzersplitterung, weil dann nicht so viele Leute durcheinander reden." Warum haben wir dann statt zwanzig oder meinetwegen auch fünfzig Abgeordnete über 600? Wer sich auch nur ein paar Tage lang auf Phoenix die Bundestagsdebatten antut, sieht eine zerstrittene politische Landschaft, in der Reden einzelner Abgeordneter ohne störende Einwürfe aus dem Saal undenkbar scheinen, er sieht also genau das, was durch die 5-Prozent-Klausel angeblich verhindert werden soll. Wäre der vorgebliche Zweck dieser Klausel ernst gemeint, dürften es nur 20 Abgeordnete sein: das Parlament soll ja einen Spiegel der Bevölkerung darstellen, ein Prozent der Bevölkerung wären bei 80 Millionen 800.000 Wähler, fünf Prozent wären 4 Millionen Wähler. Gäbe es für jede der 4 Millionen Wähler einen Abgeordneten, wäre die Fünf-Prozent-Klausel sinnvoll angewendet. Wenn aber 80 Millionen (genau) 613 Abgeordnete wählen dürfen, warum dürfen dann die, die von 3,9 Millionen Wählern gewählt wurden, nicht mitspielen? So können die Wähler nämlich nur die etablierten Parteien wählen, keine lokalen Vertreter aus lokalen Parteien haben jemals die Chance, die Interessen ihrer Wähler im Bundestag zu vertreten.

Nicht daß ihr mich falsch versteht, unser Wahlsystem ist immer noch besser als z.B. das englische, französische oder, o Schreck, das iranische. Doch was hat die systematische Unterschlagung der angemeldeten Interessengruppen, die weniger als 4 Millionen Menschen umfassen, mit Demokratie zu tun? Aber darum geht's mir hier gar nicht, sondern darum zu zeigen, wie ein breitenwirksames nachhaltiges Denktabu entsteht.

In einem Intelligenztest aus den 50ern, der vor einigen Jahren heutigen Schüler vorgelegt wurde, lautete neben der leichtesten (nach der Anzahl der Beine eines Hundes zum Aussondern der völlig Schwachsinnigen) die schwierigste Frage: Wozu brauchen wir Abgeordnete? Die richtige Antwort aus dem Original-Antwortheftchen für den Kontrolleur lautete: weil nicht immer alle gleichzeitig abstimmen können. Von etlichen hundert Kindern, die getestet wurden, kam nicht ein einziger auf die richtige Antwort. Die originellste Antwort war: für's Fernsehen. Eine andere witzige Antwort: "Gute Frage! Wozu brauchen wir die eigentlich noch?" Man sieht, die Zeiten ändern sich.

Parteienvielfalt wäre nichts anderes als eine genauere Widerspiegelung des Volkswillens, im Gegensatz zum politischen Einheitsbrei, der uns unter vier Parteien wählen läßt, die im Grunde dasselbe vertreten. Warum muß eine Partei überhaupt mehrere Sitze einnehmen? Wäre es nicht ein schärferer und genauerer Spiegel des Volkswillens, wenn nur gerade so viele Sitze wie Parteien verfügbar wären? Wenn sich im Bundestag die echten Delegierten echter Willensbekundungen echter Bevölkerungsanteile, die aus echten Menschen bestehen, zur Verfügung stellten, kämen wir dann nicht viel genauer zu dem, was die Menschen wirklich wollen? Damit wäre auch eine wirksame Kontrolle darüber gegeben, ob sich der einzelne Delegierte an seinen Auftrag wirklich hält, denn eine "kleine" Gruppe von hunderttausend Menschen (80 Millionen geteilt durch 613 ergibt rund 130.000 Wähler, die einen Delegierten schicken) könnte leicht feststellen, wenn ein Abgeordneter von seinem Vertretungsauftrag abweicht und ihn in diesem Fall zurückpfeifen oder auch nur zurechweisen.

So zumindest wurde uns in der Schule die Demokratie erklärt, und gleichzeitig wurden uns Widersprüche zur bundesdeutschen Wirklichkeit mit lapidaren "das ist halt so"-Schweigegeboten aus dem Kopf getrieben. Wenn man nun das Anfangs vorgeschlagene Experiment macht, wie reagieren die bundesdeutschen Mitmenschen? Wer wird von selber auf die Idee kommen, die 5-Prozent-Klausel mit 20 Sitzen zu verbinden? So gut wie keiner! Diese Ich-Leistung (ein Begriff aus der PSA, der hier speziell eine eigenständige Intelligenz-Leistung meint) ist blockiert. Die meisten, mit denen ich dieses Experiment versucht habe, neigen dazu, meine oben angeführte Argumentation massiv zu stören, mir also gar nicht erst die Möglichkeit zu gewähren, daß ich sie verständlich ausführen kann. Sie reagieren aus einem diffusen Reflex heraus, der ihnen sagt, daß diese Klausel aus irgend einem Grund eben notwendig sei. Die Zensur findet also schon im Kopf statt, er braucht daher keine äußerliche Zensur, er "darf" erst gar nicht darüber nachdenken.

Solche Denkverbote gibt es im bundesdeutschen Gehorsamsbürger zu Hauf: abgesehen von Bayern, das Volksentscheide zur Abstimmung über Landesgesetze erlaubt, gibt es in der BRD keine Möglichkeit zum demokratischsten aller demokratischen Vorgehensweisen. Wir bekamen von unserem Geschichts- und Sozialkundelehrer eingetrichtert: Volksentscheid ist faschistisch! Und damals im Gymnasium wurde, wer dem widersprach, folgerichtig als Faschist beschimpft. Fragt man einen gewöhnlichen Bundesdeutschen, warum Volksentscheide bei uns nicht erlaubt sind, kommen solche und ähnlich absurd klingende Begründungen ans Tageslicht. Diese Reaktion läßt sich nicht nur bei recht ungebildeten Menschen beobachten, sondern auch bei denen, deren Intelligenzleistungen ansonsten weit oberhalb der Schwachsinnsgrenze angesiedelt sind. Auch danach, wenn die Situation vorüber ist, sind sie wieder zum vollen Einsatz ihrer Intelligenz fähig – währenddessen allerdings nicht. Es findet also ein Einbruch der Denkfähigkeit statt, wenn Tabuthemen angesprochen werden. Orwells "Zwiedenk"-Begriff beschreibt diese Situation mit unfehlbarer Treffsicherheit. Hier wird urplötzlich die Intelligenz auf Null herunter- und die Aggression bis zum Anschlag heraufgefahren. Noch ein Beispiel:

Artikel 3, Absatz 3 unseres Grundgesetzes lautet: Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Artikel 33 Absatz 2 sagt: Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte. Behauptet man nun einem gewöhnlichen Bundesbürger gegenüber, Berufsverbote seien Verfassungsbruch, tritt dieselbe vorübergehende plötzliche Herabsetzung der Denkleistung ein. Antworten wie "Sie verstehen das nicht richtig, überlassen Sie das den Verfassungsrichtern" oder "Gesetze muß man studiert haben, um sie zu verstehen" sind dabei keine Seltenheit. So als würden die Verfassungsrichter den wahren, uns Normalsterblichen nicht zugänglichen heimlichen Sinn der Verfassung herausfinden können, niemand sonst. Das erinnert mich stark ans Mittelalter, als die Kirche klugerweise die Bibel verbot. Die Verfassung erhält damit, daß sie nur von Verfassungsrichtern, den Priestern der Verfassung, ausgelegt werden kann, einen unübersehbaren Nimbus des Heiligen, sie gleicht mehr einer heiligen Schrift als einer bürgerlichen Vereinbarung. Der Bürger kann sich nicht auf die Verfassung berufen, denn er kann sie ja nicht verstehen. Tut er es dennoch, stellen sich ihm die Denktabus der Gläubigen in den Weg. So wie schon im Mittelalter wahre Ketzerei darin bestand, die Worte der Bibel so zu verstehen, wie sie nunmal geschrieben stehen, besteht moderne Ketzerei darin, die Verfassung ihrem Wortlaut nach aufzufassen.

Was geschieht hier? Die PSA beschreibt solche Phänomene als das vorübergehende Ausschalten der Vernunft aufgrund eines inneren Widerstandes. Der Widerstand geht von einem Überich-Phänomen aus: immer, wenn wir gedanklich Themenbereiche berühren, die wir, als wir noch jung und geistig unfertig waren, mit Angst vor einer Autorität besetzt haben, erhebt sich das Überich und reduziert uns auf das Kind, das wir damals waren. Die damals erlebten Ängste vor schlimmen Konsequenzen beim Übertreten des Verbots sind deshalb noch immer vollständig erhalten, weil sie nie einer bewußten Verarbeitung zugeführt werden durften und sich somit auch nicht weiter entwickeln konnten. Das Überich ist die verinnerlichte Autorität der damals drohenden Respektsperson. Als Kinder konnten wir uns nämlich nicht vorstellen, uns ernsthaft gegen die Großen zu wehren. Weil wir das Verbot und die damit verbundene Angst aber nicht aus uns herausbekamen, mußten wir sie zwangsläufig ganz in uns hineinnehmen (einkapseln), um unsere aus der Balance geratene Psyche zu beruhigen. Wir haben unsere frühen Respektspersonen so verinnerlicht, daß daraus eine eigenständige psychische Instanz wurde: das Überich.

Ein ähnlicher Effekt beruht auf dem, was Festinger ein kognitives Dissonanzphänomen nennt. In der Musik ist Dissonanz ein Mißklang, der sich durch fehlende Harmonie auszeichnet: zwei Töne passen nicht zueinander und erzeugen beim Hörer ein deutliches Unbehagen. Die kognitive Dissonanz bedeutet daher einen "Mißklang beim Erkennen". Sie entsteht, wenn ich zwei Wahrnehmungen mache, die nicht miteinander vereinbar sind, die sich widersprechen und so eine Dissonanz erzeugen. Sehr häufig kommt es vor, daß wir zwischen dem, was gesagt wird, und dem, was getan wird, einen merklichen Unterschied wahrnehmen. Wenn wir, wie das meist der Fall ist, nichts daran ändern können, daß weiterhin etwas anderes gesagt als getan wird, entsteht das Bedürfnis, diese unangenehme Dissonanz auf andere Weise zu reduzieren. Gewöhnlich neigen wir dann dazu, kognitive Dissonanzen, die von Menschen erzeugt werden, denen wir keine besondere Achtung entgegenbringen, so zu erledigen, daß wir ihre Aussagen als Einbildung, Lügen oder Heuchelei einschätzen, wenn sie mit ihren Handlungen oder unseren bisherigen Überzeugungen nicht übereinstimmen. Man bezeichnet diese Kategorie von Aussagenden auch als "schwache Sender". Kommt dagegen der Widerspruch zwischen Handlung und Gesagtem oder zwischen Gesagtem und unserer bisherigen Wahrnehmung von einem starken Sender, z.B. von einer Tageszeitung, von Vater oder Mutter, vom Lehrer, vom Vorgesetzten oder einer hochstehenden Persönlichkeit, gesellt sich zu der kognitiven Dissonanz eine diffuse Empfindung von Gefahr. Man neigt hier, weil man die Dissonanz anders nicht loswerden kann, zur Veränderung der eigenen Wahrnehmung. Begründungen wie "wo Rauch ist, muß auch ein Feuer sein" (bzw. "wenn der das sagt, muß wohl was dran sein") stützen diese Wahrnehmungsveränderung.

Hast du dir beispielsweise ein Auto gekauft, das sich danach in seiner Qualität schlechter herausstellt als erwartet, kannst du es nicht mehr zurückgeben, das Geld ist futsch. Es entsteht eine kognitive Dissonanz: Viel Geld ausgegeben für Schrott, das rüttelt am positiven Selbstbild, man will kein Looser sein, der nicht mit Geld umgehen kann. Was also tun? Ich ändere die Wahrnehmung darüber, was das Gefährt taugt. Ich idealisiere mein Auto, weil ich es bezahlt habe, suche und finde Vorzüge, um es aufzuwerten und somit die kognitive Dissonanz zu reduzieren oder ganz zu beseitigen.

Idealisiert, zum Ideal erhoben, wird alles möglich. In der Entwicklungspsychologie spielt die Idealisierung der Eltern eine große Rolle, besonders dann, wenn's in diesem Bereich etwas zu verbergen gibt, wie Alice Miller in ihren Büchern sehr deutlich und ausführlich zeigt.

Auf dieselbe Weise funktioniert die kognitive Dissonanz auch im Arbeitsleben: wer einen Job hat, an dem er zwar gut verdient, der aber unangenehme Tätigkeiten erfordert, kann es sich erlauben, die schlechten Arbeitsbedingungen kritisch zu betrachten. Wird er zusätzlich zum Scheiß-Job auch noch schlecht bezahlt, neigt er dazu, seine Arbeit aufzuwerten. Das wurde sogar experimentell bewiesen: man stellte zwei gleichartige (paralellisierte) Gruppen her, denen dieselbe unangenehme Arbeit zugewiesen wurde. Die eine Gruppe wurde unterdurchschnittlich, die andere überdurchschnittlich bezahlt. Es ist nicht schwer zu erraten, welche Gruppe bei Interviews eine größere Zufriedenheit mit der Arbeit beteuerte, um auf diese Weise ihre kognitive Dissonanz zu reduzieren. Die Wahrnehmung "ich mache schwere, schmutzige Arbeit und werde dafür nicht mal mit genügend Geld belohnt" erzeugte die kognitive Dissonanz und kann, weil man der Arbeit nicht entkommen kann, nur an einer Stelle verändert werden: am subjektiv empfundenen Wert der Arbeit.

Klingt es nun, werter Leser, in deinen Ohren noch immer abwegig, Obrigkeitshörigkeit und religiöse Gläubigkeit als Symptom ein und desselben psychischen Phänomens aufzufassen, so könnte eventuell der Verdacht entstehen, beim Lesen dieses Textes sei womöglich das ein oder andere Denkverbot zur Wirkung gelangt.