27. Mai 2006
Woher kommt das Geld der Reichen?
Wer schafft tatsächlich die Werte, die eine Minderheit reich macht?

Die Anzahl der Millionäre in der BRD ist zwischen 1997 und 2003 von 510.000 auf 756.000 angestiegen. Weil die zu verteilende Geldmenge aber endlich ist, hat ein Ansteigen der Zahl der Millionäre zwangsläufig eine Zunahme der Zahl der Mittellosen zur Folge. Dabei sind die einfachen Millionäre noch die eher kleinen Vermögensbesitzer. Die wirklich Großen horten Kapitalmengen, von denen nicht einmal der Bundeshaushalt zu träumen wagt.

Diese Gegenüberstellung gilt nicht nur für die BRD, sondern – im Zeichen der Globalität – zunehmend für die ganze Welt. Denn in Deutschland schöpfen nicht allein deutsche Millionäre und Milliardäre den Rahm des gemeinsam erwirtschafteten Bruttoinlandsprodukts (BIP) ab, sondern zunehmend auch Reiche aus anderen Nationalstaaten. Eine Aufstellung der reichsten Unternehmen der Welt findet ihr dort.

Hochinteressant für diese Thematk ist die Situation in Irland, das seit 1999 sogar das BIP der BRD überflügelt. Rein statistisch liegt das Pro-Kopf-Einkommen in Irland durch seine jährliche Wachstumsrate von 6, 5 Prozent weit über dem europäischen Durchschnitt. Doch wer Irland kennt, sieht dort keinen erkennbaren Ausbruch von Wohlstand. Neben den hohen EU-Subventionen tragen vor allem die niedrigen Steuersätze dazu bei, daß sich in Irland zunehmend ausländische Konzerne angesiedelt haben. Deren Gewinne zählen zwar zum BIP, doch haben nicht die Iren, sondern ausschließlich diese multinationalen Konzerne etwas von diesen riesigen Gewinnen.

Die Lohnquote fiel in Irland von 77 Prozent im Jahr 1980 auf 53 Prozent im Jahr 2001. 17,6 Milliarden Euro des irischen Bruttoinlandsprodukts von insgesamt 114,5 Milliarden sind 2001 als Einkommen ins Ausland überwiesen worden. Den Iren blieben noch 96,8 Milliarden übrig (nach: Michael Dauderstädt: "Deutschland, Schlusslicht im alten Europa", FES-Analyse, Bonn, Februar 2003). Demnach hatten die Iren vom statistischen Aufschwung so gut wie gar nichts. Die scheinbar hohe Wachstumsrate ist Ergebnis einer äußerst trickreichen Steuerpolitik, unterstützt durch die Sonderrolle, die Irland einnimmt: einerseits Steuersenkungen für ausländische Unternehmen, andererseits EU-Subventionen. Deutschland dagegen finanziert noch immer ungefähr 50 Prozen des EU-Haushalts!

Und genau diese grüne Insel wird häufig und gerne als Vorbild und Argument dafür angeführt, warum bei uns eine ähnliche Entwicklung angeleiert werden sollte:

Auch Iren, Österreicher und Niederländer erwirtschaften pro Kopf inzwischen mehr als die Deutschen. (...) An der globalen Handelsstatistik läßt sich ablesen, daß die zweitgrößte Exportnation der Welt ständig an Boden verliert und der nationale Anteil am weltweiten Warenaustausch seit 1990 von 12,2 um fast ein Viertel auf 9,5% geschrumpft ist. Der Spiegel vom 19.05.2003

Wir haben die rote Laterne in Europa. Sie können noch soviel reden: Es gibt Länder in Europa, die stehen einfach besser da – Spanien, Großbritannien. Angela Merkel, 19.12.2003

In einem Beitrag zu meinem letzten Artikel wurde ein Link auf einen Artikel in der ZEIT mit der Überschrift "Wo stehen die Reichen?" gesetzt, der den Untertitel trägt: "Die Klasse der Wohlhabenden in Deutschland wächst. Obwohl sie als Arbeitgeber und Stifter in Erscheinung treten, entfernen sie sich vom Rest der Gesellschaft." Weiter heißt es dort:

Zwischen 1990 und 2002 konnten Unternehmer und Vermögende in Deutschland ihr durchschnittliches Bruttoeinkommen preisbereinigt um rund 40 Prozent steigern. Die Bruttolöhne und -gehälter pro Arbeitnehmer dagegen stiegen lediglich um sieben Prozent. Betrachtet man die realen Nettoeinkommen, wächst der Abstand weiter. Dann ergibt sich bei den Arbeitnehmern sogar ein Minus von 0,7 Prozent, bei den Beziehern von Gewinn- und Vermögenseinkommen dagegen ein Zuwachs von fast 50 Prozent.

Nach den großspurigen Reden unserer Politiker sei diese Verschiebung aber absolut notwendig, damit kapitalkräftige Leute wieder in Arbeitsplätze investieren. Tun sie aber nicht! Und wenn man ihnen das Doppelte und Dreifache in den Rachen wirft – sie tun's nicht. Ist es da ein Wunder, daß sich immer mehr einfache Menschen völlig verarscht vorkommen angesichts dieser Entwicklung? Kann man angesichts einer zunehmenden Anzahl von Mittellosen und dem Raubbau an unseren sozialen Errungenschaften (= massiver Sozialabbau) noch von billigem Sozialneid sprechen? Sind es nicht vielmehr gerechter Zorn und berechtigte Verärgerung über diese Abzocke, über den sich mehr und mehr Betroffene bemerkbar machen?

Nach meiner Einschätzung wird diese Geld-Verschiebung allein deshalb als absolut notwendig hingestellt, damit sich noch ein paar mehr Leute auf Kosten der unteren Schichten ihre Millionen sichern können.

Viele Politiker, allen voran der ehrenwerte Edmund Stoiber, haben wiederholt und bei verschiedenen Gelegenheiten immer wieder behauptet, aus Deutschland würden monatlich 50.000 Arbeitsplätze ins Ausland verlagert. Das wären dann über's Jahr 600.000 Arbeitsplätze, seit der Zeit (2004), in der dies behauptet wird, wären also 1,8 Millionen Arbeitsplätze ins Ausland verlagert worden. Fakt ist aber, daß es bis heute keine verläßlichen Zahlen über die Ab- und Rückwanderungen gibt. Das hält die jeweiligen Politiker aber nicht davon ab, mit herausgepickten Beispielen Stimmung zu machen und Angst zu verbreiten.

Unternehmer, die inzwischen nach Deutschland zurückgekehrt sind, nennen dafür folgende Gründe: Sie mußten feststellen, daß neben den Lohnkosten noch weitere ausschalggebende Faktoren existieren, wie z.B. Kosten für Qualitätssicherung, Organisation und Logistik, die häufig die Vorteile einer Verlagerungs ins Ausland aufgezehrt haben. Dazu kommen noch Faktoren wie die Rechtssicherheit im Ausland, die es den Unternehmen ermöglicht, ihre Forderungen einzuklagen. So hat z.B. die Jungheinrich AG ihre Standorte in Großbritannien und Frankreich aufgegeben und sich wieder in Deutschland angesiedelt (Schleswig-Holstein und Bayern). Cletus von Pichler, Vorstandsvorsitzender der Jungheinrich AG, nannte das "ein klares Bekenntnis zum Standort Deutschland", zu seinen gut ausgebildeten Facharbeitern, deren hohe Produkivität in der Fertigung und deren ausgeprägtes Qualitätsbewußtsein.

Aus einem eklatanten Mangel an Vernunft heraus wird von Politikern und der gleichgeschalteten Medienindustrie aber weiterhin die Angst vor der Abwanderung ins Ausland geschürt, statt sich darauf zu verständigen, die Stimmungsmache bei jeder Gelegenheit, bei jeder einzelnen Abwanderung, sein zu lassen. Damit würde man nämlich jene Abwanderungen verhindern, die aus "modischen" Gründen beschlossen werden – weil nämlich auch Investoren und Unternehmer nach vermeintlichen Trends entscheiden, weil sie nicht alle Faktoren durchrechnen, weil sie nicht bedenken, daß auch die Lohnkosten in Tschechien und in Polen und in Ungarn kurzfristig steigen können. Das Fraunhofer-Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI) in Karlsruhe hat 2002 eine Tendenz beobachtet, die sich dadurch verstärken könnte: Unternehmer würden genau überlegen, bevor sie im Ausland investieren, andere würden zurückkehren. Wo nämlich Entscheidungen stark von Stimmungen abhängen, kann man sie auch positiv beeinflussen. So könnten wir einfach aufhören mit der von oben verordneten Miesmacherei und stattdessen unsere Stärken betonen, fördern und ausbauen, die Bildung und Ausbildung der Menschen hier verbessern. Helmut Schmidt hatte 1976, als er vom "Modell Deutschland" sprach, großen Erfolg damit, im Ausland für die Attraktivität unserers Landes zu werben. Warum also sollte das heute nicht wieder funktionieren? Unsere derzeitige Wirtschaftskrise ist eine hausgemachte, eine von gewissen Kräften in Industrie und Politik forcierte. Denn nur in der Krise können sie uns leicht Angst machen und Forderungen wie den allgemeinen Sozialabbau durchsetzen.