Auszüge aus Daniel Estulin's
"Die wahre Geschichte der Bilderberger"

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Einleitung

Im Jahre 1954 trafen sich die mächtigsten Männer der Welt zum ersten Mal unter der Schirmherrschaft der holländischen Krone und der Rockefeller-Familie im Luxushotel Bilderberg in dem kleinen holländischen Städtchen Oosterbeck. Ein ganzes Wochenende lang debattierten sie über die Zukunft der Welt. Im Anschluß daran beschlossen sie, sich jedes Jahr einmal zu treffen, um Ideen auszutauschen und internationale Angelegenheiten zu erörtern. Sie nannten sich der Bilderberg-Club. Seither haben sie sich jedes Jahr irgendwo in der Welt in einem Luxushotel versammelt, um Entscheidungen über die Zukunft der Menschheit zu treffen. Zu den handverlesenen Mitgliedern des Clubs gehören Bill Clinton, Paul Wolfowitz, Henry Kissinger, David Rockefeller, Zbigniew Brzezinski, Toni Blair und viele andere Regierungschefs, Wirtschaftsbosse, Politiker, Bankiers und Journalisten aus der ganzen Welt.

Trotz des Gewichts der Versammelten war es in den über 50 Jahren ihrer Treffen der Presse niemals erlaubt, daran teilzunehmen, wurden nie Stellungnahmen über Beschlüsse der Teilnehmer veröffentlicht, ist der Öffentlichkeit niemals eine Tagesordnung der Bilderberg-Versammlung mitgeteilt worden. Die Führer des Bilderberg-Clubs begründen das damit, daß diese Diskretion notwendig sei, um es den Teilnehmern an den Debatten zu erlauben, offen zu sprechen, ohne daß ihre Worte schriftlich festgehalten werden oder sonstwie an die Öffentlichkeit dringen. Andernfalls würden sie – so die Bilderberger – genötigt, im Stil von Presseerklärungen zu reden. Zweifellos erlaubt diese Diskretion dem Bilderberg-Club, offener gewisse Dinge zu erörtern. Doch das beantwortet nicht die grundsätzliche Frage: Worüber sprechen die mächtigsten Leute der Welt in solchen Versammlungen?

Jedes moderne demokratische System schützt das Recht auf die Privatsphäre. Aber hat die Öffentlichkeit denn nicht auch ein Recht zu wissen, was ihre politischen Führer besprechen, wenn sie die wohlhabendsten Geschäftsleute ihrer jeweiligen Länder treffen? Was garantiert den Bürgern, daß der Bilderberg-Club kein Zentrum der Beeinflussung und des Lobbyismus ist, wenn sie nicht wissen dürfen, worüber ihre Vertreter bei den geheimen Treffen des Clubs sprechen? Warum wird über das Weltwirtschaftsforum von Davos und die G8-Treffen in jeder Zeitung auf der Titelseite berichtet, und weshalb nehmen daran Tausende von Journalisten teil, während niemand über die Versammlungen des Bilderberg-Clubs schreibt, obwohl sie Jahr für Jahr stattfinden und von Präsidenten des Internationalen Währungsfonds, der Weltbank, der Bundesbank, von Vorsitzenden der 100 mächtigsten Unternehmen der Welt wie DaimlerChrysler, Coca Cola, British Petroleum, Chase Manhattan Bank, American Express, Goldman Sachs, Microsoft, von Vizepräsidenten der Vereinigten Staaten, den Direktoren der CIA und des FBI, von den Generalsekretären der NATO, von US-Senatoren und Kongreßmitgliedern, von europäischen Ministerpräsidenten und von Vertretern der Oppositionsparteien, von Chefredakteuren und Vorstandsvorsitzenden der führenden Zeitungen der Welt besucht werden. Es ist schon erstaunlich, daß die Versammlung von Persönlichkeiten, deren Reichtum bei weitem das Vermögen aller Bürger der Vereinigten Staaten zusammengenommen übertrifft, für die Hauptmedien keinen Neuigkeitswert besitzt, wo doch die Reise jedes einzelnen von ihnen für Schlagzeilen in den TV-Nachrichten sorgt.

Solche Fragen hatte ich mir gestellt, als ich mich vor 14 Jahren auf eine Recherche einließ, die zu meinem Lebenswerk geworden ist. Langsam, Schritt für Schritt, habe ich mich durch die Schichten der Geheimhaltung, die den Bilderberg-Club umgeben, hindurchgearbeitet. Doch hätte ich das nicht ohne heimliche Gegner innerhalb und außerhalb der Mitgliedschaft des Clubs schaffen können. Sie haben mir aus Gewissensgründen geholfen. Ihnen gilt mein tiefster Dank, denn ihre unbezahlbaren Mitteilungen haben dieses Buch erst möglich gemacht. Man wird verstehen, daß ich diese eigentlichen Helden zu ihrem eigenen Schutz hier nicht namentlich aufzählen kann. Ich kann ihnen nur dafür danken, daß sie mir dabei geholfen haben herauszufinden, was hinter den geschlossenen Türen der luxuriösen Hotels, in denen die Bilderberger jährlich zu tagen pflegen, besprochen wurde.

Bevor wir in das Reich dieses exklusiven Clubs eintreten, ist es wichtig, sich klarzumachen, daß weder einzelne Personen noch ganze Organisationen vollkommen "böse" sind, gerade so wie niemand vollkommen "gut" ist. Es gibt mächtige Leute in der Welt, die sich von höheren Idealen, Prinzipien und Glaubenssätzen leiten lassen als dieser geheime, manipulative Club und seine Ableger, die ich in diesem Buch beschreibe. Doch selbst in diesem Club gab es Mitglieder, die sich ursprünglich für eine bessere Welt einsetzen wollten. Sie beharrten dabei auf der Selbstherrlichkeit des "Papa weiß es am besten", die der paternalistischen Beherrschung der Christenheit durch die römisch-katholische Kirche ähnlich ist. Ihre Absichten waren zunächst durchaus edel.

Leider ist der Bilderberg-Club über seine ideellen Anfänge hinausgewachsen und hat sich zu einer Art Schattenregierung der Welt aufgeschwungen, die auf ihren völlig geheimen Jahresversammlungen entscheidet, wie sie ihre Pläne durchsetzt. Es besteht die Gefahr, daß sie uns unseres Rechtes, unser eigenes Schicksal zu bestimmen, beraubt. Und das hat die Entwicklung der Telekommunikationstechnologie im Zusammenhang mit den heute weitreichenden Erkenntnissen und Methoden der Verhaltenssteuerung der Einzelnen wesentlich erleichtert. Durch diese Verfahren wird heute zur beunruhigenden Realität, was in anderen geschichtlichen Epochen nur böse Absicht war. Jede einzelne dieser neuen Maßnahmen scheint, für sich allein genommen, als eine bloße Verirrung, doch die Gesamtheit der Veränderungen steuert als Teil eines ablaufenden Kontinuums auf die völlige Versklavung der Bevölkerung zu.

Deshalb ist es an der Zeit, hinter die Kulissen zu schauen. Wir stehen an einer Wegegabelung. Die Richtung, die wir jetzt einschlagen, wird die Zukunft der Menschheit festlegen. Wir müssen aufwachen und die eigentlichen Ziele und Maßnahmen des Bilderberg-Clubs und seiner gleichgesinnten Parallelorganisationen erkennen, wenn wir uns hoffentlich die Freiheiten erhalten wollen, für die unsere Großväter im Zweiten Weltkrieg gekämpft haben.

Es ist nicht Gottes Sache, uns vor dem "Neuen Finsteren Zeitalter" zu bewahren, das für uns vorbereitet wird. Es liegt an uns. Von dem, was wir jetzt unternehmen, hängt ab, ob wir das nächste Jahrhundert in einem elektronisch überwachten, globalen Polizeistaat oder als freie Menschen erleben werden. Vorgewarnt ist vorbereitet. Wir werden niemals die richtigen Antworten finden, wenn wir nicht die richtigen Fragen stellen. Genau darum will sich Die wahre Geschichte der Bilderberger kümmern.

Der Bilderberg-Club: Die Herren der Welt

... Eine Clique der reichsten, wirtschaftlich und politisch mächtigsten und ein flußreichsten Männer der westlichen Welt, die sich heimlich trifft, um Ereignisse zu planen, die später so erscheinen, als würden sie zufällig eintreten. The Times of London, 1977

Es ist schwierig, Leute, die im Nationalismus aufgewachsen sind, zur Bereitschaft umzuerziehen, einer supranationalen Körperschaft Teile ihrer Souveränität zu übertragen. Prinz Bernhard, Gründer des Bilderberg-Clubs

Weltereignisse geschehen nicht aus Zufall: Man macht, daß sie sich ereignen, ob es sich dabei nun um nationale Belange oder um solche des Kommerz handelt; und die meisten von ihnen werden von denjenigen inszeniert und zustandegebracht, die die Schnüre der Geldbeutel in der Hand halten. Denis Healy, ehemaliger britischer Verteidigungsminister

Konfrontation

Im Jahr 2003

Goldbraune Farben spielten am späten Abendhimmel über der französischen Stadt Versailles. Doch die Nacht schien gräulich zu werden. Drückende Hitze und hohe Luftfeuchtigkeit ließen einen erschlaffen, als ich durch die Straßen der Stadt schlenderte und Ausschau hielt, wie ich meinen Durst löschen könnte. Etwa 300 Meter von dem berühmten Trianon Palace Hotel entfernt fiel mir ein Hufeisen ins Auge, das über dem Eingang einer heruntergekommenen Kaschemme baumelte. Sein verblaßtes, rötlich-grünes Äußere verlangte nach einem neuen Anstrich. Der Gegensatz zwischen dem Luxus des Hotels und der Dürftigkeit dieser Kneipe erregte meinen Sinn für Ironie: Steht uns wirklich bevor, wieder in eine Welt zurückzukehren, in der es nur noch zwei Klassen, Arme und Reiche gibt, Leute, die anordnen, und andere, die das ausführen müssen, in ein System, das an Feudalherren und Leibeigene unter einer Regierung, die die Welt beherrscht, erinnert? Das war genau der Plan, von dem aber nur wenige etwas wissen wollten. Doch heute Nacht war ich zu müde, um weiter nach Beweisen für die Bedrohung unserer Freiheit zu suchen. Ich hatte mir keine Interviews vorgenommen. Ich wollte nur die Bequemlichkeit belangloser Aktivität und den Krach eines zusammenhanglosen Stimmengewirrs genießen. Appetitanregende Gerüche aus dem Inneren der Kneipe machten mich wieder munter und weckten in mir das Verlangen nach einem Kaffee mit Sahne. Und so kehrte ich ein.

Innen gab es nur noch einen Stehplatz an der Bar. Ich drängte mich hin, stützte mich gegen die Theke und bestellte beim Ober. Vor mir waren unzählige Schnapsflaschen, Tassen und Gläser im Wandregal aneinandergereiht. Eine Kaffeemaschine stand auf dem Tresen. Hinter mir und zu meiner Rechten nahmen walisische Touristen und ein bärtiger Buckeliger mit Lederhandschuhen und einer Reisemütze eine Gruppe zusammengerückter Tische in Beschlag. Während ich mich noch darüber wunderte, weshalb der Bucklige in einer solch schwülen Nacht Handschuhe trug, erklärte eine dicke Dame mit einem riesigen Leberfleck am Kinn den Touristen, daß er Pianist sei und seine Hände schützen müsse.

Zu meiner Linken spielte eine Gruppe an einem anderen Tisch ausgelassen Karten. Ein kurzsichtiger Mann erregte meine Aufmerksamkeit. Er mußte – bildete ich mir ein – eben erst einem Gemälde van Goghs entsprungen sein. Er war älter, glatzköpfig und wirkte schlapp; er trug einen viel zu großen, grauen Anzug, der ihn statt schlank eher pummelig erscheinen ließ. Eine gewaltige Hornbrille vergrößerte seine rosafarbenen, wässrigen Augen, mit denen er die Leute um sich her beäugte. Auf Kiefer und Kinn lag ständig der Schatten eines dichten Bartwuchses, und über seinem Mund klebte ein graumelierter Schnurrbart, der lieblos gestutzt worden war. Er bestellte Rum, stopfte seine Pfeife und starrte geistesabwesend auf das Kartenspiel.

Die Essenszeit der Pariser war schon lange verstrichen; es war etwa acht Uhr, und ich konnte vom Wohnzimmer her Klavierspiel hören und dazu lautes Scherzen, Lachen und die Rufe fröhlicher Kinder. Als ich meinen Lieblingskaffee bezahlte, hatte sich meine Auffassung von der Kneipe geändert. Vielleicht war sie so beliebt, daß dem Besitzer keine Zeit blieb, das Lokal zu renovieren. Der Gedanke stimmte mich froh.

"Ich würde gerne mit Ihnen sprechen."

Ich spürte den Atem des Mannes an meinen Nackenhaaren und drehte mich unwillkürlich nach rechts um. Da war niemand.

"Bleiben Sie sitzen, bitte!", wisperte eine zweite Stimme.

Meine Nerven spannten sich an. Wie oft war ich schon von der CIA oder dem Mossad belästigt, von der Ortspolizei bedroht oder von Sicherheitskräften fotografiert worden! War dies ein weiteres Verhör? Ich drehte mich auf meinem Barhocker um, um der gesichtslosen Stimme zu begegnen. "Sich in den Slums rumtreiben, Leute, wie?"
Ein britisch aussehender Herr überging meine spitze Bemerkung. "Es tut uns leid, Herr Estulin, daß wir uns Ihnen in den Weg drängen, aber wir würden sehr gerne mit Ihnen sprechen." Er streckte schlaff die Hand in der Hoffnung aus, ich könnte mich entschließen, sie zu schütteln. "Natürlich erbitten wir uns Ihre größtmögliche Diskretion."

Aus seiner umständlichen Syntax konnte ich entnehmen, daß er sich des pseudo-kultivierten, englischen Akzents von Möchtegern-Literaten bediente, von Leuten, die sich darauf spezialisiert haben, eine todschicke britische Aussprache und das entsprechende Benehmen zu lehren.

"Woher kennen Sie meinen Namen? Ich kann mich nicht erinnern, mich Ihnen vorgestellt zu haben."

"Wir wissen so einiges über Sie, Herr Estulin", behauptete die kratzende Stimme eines strohblonden, breitschultrigen Mannes. Er stand im Schatten des ersten Mannes. Es war zweifellos sein Leibwächter. Ich gab ihnen insgeheim die Spitznamen Tweedle Dee und Tweedle Dum.

"Tatsächlich." Ich lehnte mich auf meinem Barhocker zurück und ließ Schweigen zwischen uns aufkommen. Die Stille war mir ebenso lieb, wie es für sie eine Waffe war.
Der angebliche Tweedle Dee senkte den Blick, fingerte in der Brusttasche seines gut geschnittenen Jacketts nach seinem Zigarettenetui und betrachtete es prüfend. "Wir wissen zum Beispiel, daß Sie hier sind, um über die Bilderberg-Konferenz zu berichten. Sie verfolgen uns seit vielen Jahren. Irgendwoher scheinen Sie den genauen Ort eines jeden Treffens zu kennen, obwohl die meisten Teilnehmer bis eine Woche vor der Konferenz nicht herausfinden, wo genau sie stattfinden wird. Ich muß leider zugeben, Sie scheinen, obwohl wir uns viel Mühe geben, unser Vorhaben abzuschirmen und dazu alle erforderlichen Vorkehrungen treffen, zu wissen, was wir besprechen, und die meisten unserer künftigen Pläne zu kennen."

Tweedle Dee hob seinen Blick und schaute mir in die Augen. "Ihr Herumschnüffeln, Herr Estulin, hat sogar unsere Auswahl einiger Teilnehmer beeinflußt. Eine Zeitlang dachten wir, wir wären Ihnen auf die Schliche gekommen. Wir glaubten, ein gewisses nicht zur Konferenz eingeladenes Mitglied wäre Ihr Kontaktmann gewesen. Hätten Sie mit Ihren Konferenzvoraussagen Unrecht gehabt, hätte das ahnungslose Mitglied unangenehme persönliche Konsequenzen zu erleiden gehabt. Zum Glück für ihn hatten Sie wieder einmal Recht."

Während ich zuhörte, achtete ich im Geist auf den Akzent, den er nachzuahmen versuchte. Es war der aus der Grafschaft Kent.

"Woher wissen Sie all diese Dinge?", fragte Tweedle Dum.

Ich sah den Mann prüfend an und unterdrückte meinen Drang zu lächeln. Endlich haben "sie" – die Vertreter dieser hochgeheimen Gruppe internationaler Makler der Macht und Finanziers, die den Bilderberg-Club bilden – mich direkt gestellt. Das war ein Kompliment, wenn auch ein gefährliches. Ich mußte meinen Verstand zusammennehmen. "Sagen wir, es ist ein Berufsgeheimnis."

Tweedle Dums strohgelber Schnurrbart und seine Knollennase zuckten bei meiner kurz angebundenen Antwort. Er hatte riesige hervortretende Augenbrauen und einen schmalen Mund, der ein kaltes, vieldeutiges Lächeln aufsetzte, das mich einschüchtern sollte.

Tatsächlich war es recht einfach und logisch, wie ich an meine Informationen kam. Ich begebe mich einige Tage vor dem angesetzten Tagungsbeginn an den Tagungsort, wohne in dem entsprechenden Fünf-Sterne-Luxushotel, bis dann am Vortag der Konferenz die Bilderberg-Gäste und ihre Sicherheitskräfte eintreffen und diese mich rausschmeißen. Während ich im Hotel wohne, lerne ich die Kellnerinnen, Kellner und sonstigen Hotelbedienstete kennen. Ich wende mich an diejenigen, die mir offener begegnen, und erkläre ihnen, wie das Bilderberg-Treffen abläuft, was es mit dieser öffentlichkeitsscheuen Gruppe auf sich hat und was in den nächsten paar Tagen im Hotel vor sich gehen würde. Natürlich glauben mir viele zuerst nicht. Doch rate ich jedem eindringlich, sich nicht auf meine Aussagen zu verlassen, sondern nur zu beobachten, was in ihrem Hotel vor sich geht, und auf die Gespräche der Bilderberger zu achten, wenn sie diese bedienen. Danach können sie selbst entscheiden, ob sie zum Wohl der Menschheit meine Augen und Ohren sein wollen. Zu meinem Vorteil gehört es zu den Gepflogenheiten der Fünf-Sterne-Hotels, daß Verwaltung und Angestellte der Bequemlichkeit der Gäste zuliebe mindestens vier Sprachen sprechen müssen – Englisch, Französisch, Deutsch und eine weitere Fremdsprache. So können sie heimlich ihre Ohren aufstellen und das meiste, was auf der Konferenz besprochen wird, verstehen. Im Laufe der Tage bemerken viele von denen, an die ich mich gewandt hatte, die Anwesenheit von Polizei und Geheimdienst und die Heimlichtuerei der Anwesenden und beginnen das, was ich ihnen gesagt hatte, für wahr zu halten. Den wenigen, die sich entschieden haben, mir zu helfen, nannte ich dann einige Bars am Ort, an denen wir uns unauffällig treffen konnten. Zu meiner Erleichterung war diese Bar keine der genannten. Die Gegenwart von Tweedle Dee besagte eindeutig, daß man jede im Hotel beschäftigte Person, die man im Gespräch mit mir ertappen würde, entlassen würde.
Tweedle Dee steckte seine rechte Hand in seine linke Hosentasche und ließ beim Zurückschlagen des Mantels die Uhrenkette an seiner Weste erkennen: "Sie sind wirklich ein Rätsel, Sir." Tweedle Dum warf einen deutlichen Blick zum Ausgang hin und schlug in ruhigem, aber festem Ton vor: "Folgen Sie uns bitte nach draußen, dort können wir ungestörter reden."

Ich war neugierig und willigte ein.

Inzwischen schien ein riesiger Mond durch das Geäst der entfernten Bäume am Rande der Hotelterrasse. Vor uns flackerte eine Straßenlaterne. Ich konnte schwaches Stimmengewirr von den Straßencafés entlang der Straße vernehmen und Hundegebell. Wir drei blieben einige Minuten lang still.

"Warum verfolgen Sie uns?", fragte Tweedle Dee. "Sie arbeiten für keine der anerkannten Zeitungen. Sie schreiben Artikel, die unseren Mitgliedern unangenehm sind. Einige Kongreßabgeordnete in Amerika und Parlamentarier in Kanada sahen sich gezwungen, ihre Anwesenheit auf unserer Jahresversammlung abzusagen, nachdem Sie sie als geladene Gäste aufgezählt hatten."

"Das ist nicht gut", ließ sich Tweedle Dum vernehmen.

"Die Bilderberg-Gruppe, Herr Estulin, ist ein privates Forum, bei dem, ohne daß darüber berichtet wird, freundliche Diskussionen unter einflußreichen Mitgliedern der Geschäftswelt stattfinden. Dazu werden Politiker eingeladen, um der Gruppe ihre persönlichen und beruflichen Erfahrungen mitzuteilen. All dies geschieht in der Hoffnung, durch diese Art Foren den Abstand zwischen der hohen Politik und den wichtigsten Bedürfnissen der Weltbevölkerung überbrücken zu können. Keinesfalls versuchen wir auf die Politik der Regierungen oder die Entscheidungen der Politiker Einfluß zu nehmen."

"Das ist doch Unsinn!", fauchte ich zurück. Ich merkte, wie sich meine Halsmuskeln anspannten. Empörung regte sich in mir. "Hätte es nicht die Bemühungen nachbohrender Journalisten gegeben, gehörte Kanada inzwischen zu den Größeren Vereinigten Staaten. Warum haben Sie Aldo Moro umgebracht?"

"Sie wissen, Herr Estulin, wir können Ihnen nicht alles sagen. Ich bin nicht hergekommen, um mit Ihnen zu debattieren, Sir." Tweedle Dee betrachtete mich. "Wäre es zuviel verlangt, Sie zu bitten, daß dies hier vertraulich unter uns bleibt?"

"Ich bespreche in der Regel nichts vertraulich, insbesondere, wenn es sich um den Bilderberg-Club handelt."

Ich merkte, daß das dumm von mir war, doch genoß ich erst einmal die Gelegenheit, dem "Gesicht" meiner heimlichen Rache den Anschein meiner unterdrückten Frustration über ihre verdeckte Vorgehensweise aufzusetzen. Vielleicht – legte ich mir zurecht – könnte ich, wenn ich Tweedle Dee dazu bringen könnte, die Fassung zu verlieren, herausfinden, worum es bei diesem Treffen wirklich ging.

Statt dessen ratterte er einige Minuten lang Sprüche über die Vorzüge der Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen den Nationen und über hungrige Kinder in Afrika herunter – die übliche Propaganda. Ich versuchte, mich auf das Zuhören zu konzentrieren, ertappte mich aber bald dabei, daß ich Tweedle Dums Gesicht betrachtete. Entweder setzte er ein leeres Lächeln auf oder leckte an seinem Schnurrbart.

"Es soll wirklich nicht zu Ihrem Schaden sein, Herr Estulin." Meine Aufmerksamkeit sprang auf Tweedle Dee zurück. "Welche Bedingungen würden Sie stellen wollen?", fragte er.

Ich blickte wieder zum schweigsamen Tweedle Dum hinüber, um sein Interesse an meiner Antwort zu beurteilen. Er stand da mit regungslosem Gesicht. Tweedle Dee fingerte nach einer Zigarette, strich sanft über sie, biß sich auf die Unterlippe und überlegte. Seine Augen blickten eigentlich nicht auf die Zigarette, sondern ins Weite, während er auf meine Antwort wartete.

"Als Bedingung für mein Stillhalten würde ich verlangen, daß alle künftigen Bilderberg-Versammlungen öffentlich bekannt gemacht werden. Ich fordere den freien und uneingeschränkten Zutritt für alle Journalisten, die dabei zu sein wünschen. Alle Konferenzen sollen angekündigt und die Teilnehmerliste der Veranstaltung vorher veröffentlicht werden. Keine CIA, Pistolen, Hunde, private Sicherheitskräfte und vor allem keine Geheimhaltung!"

"Sie wissen, Herr Estulin, daß wir das nicht zulassen können. Die Einsätze sind zu hoch, und das Spiel ist zu weit fortgeschritten."

"Dann, meine Herren", antwortete ich, "werden Sie sich eben bis zum Schlußpfiff des Schiedsrichters mit mir abfinden müssen."

Tweedle Dee nickte auf seine vornehme Art: "Alsdann einen guten Abend, Herr Estulin. Es tut mir leid, Ihre Zeit beansprucht zu haben." Auch Tweedle Dum hob den Hut und ging gleichen Schritts mit seinem Chef davon. Nun erst wurde mir klar, wieviel auf dem Spiel stand. Dies war nicht bloß eine Unterhaltung zwischen einem Unterhändler der Bilderberger und mir gewesen. Es war eine Warnung.

Der "Highlander"

Im Jahr 1992

Meine Verstrickung mit dem Geheimbund namens Bilderberg-Club begann an einem Herbsttag im Oktober 1992. Ich erhielt den Anruf eines russischen Immigranten, der in Paris wohnte. Er hatte in einer in New York erscheinenden russischen Tageszeitung die zurückliegende Geschichte über die mißliche Lage meiner Familie gelesen. Sie war zum zehnten Jahrestag unseres erzwungenen Exils erschienen. Er bat um ein Treffen, um "eine bestimmte Frage von großer Bedeutung zu besprechen".

Einige Wochen später trafen wir uns in einem bekannten spanischen Restaurant in Toronto, im Segovia. Es lag gleich neben der Hauptdurchgangsstraße, der Yonge Street, der längsten Straße der Welt.

Als ich die schicksalsschwere Entscheidung fällte, den Mann zu treffen, dessen Identität anonym bleiben soll und den ich der Einfachheit halber Vladimir nenne, wechselte ich in eine andere Welt, in eine Welt, in der Rot "Gehen" bedeutete und Grün "Schießen" und in dem es Gelb, Blau, Orange oder irgendeine andere Farbe einfach nicht gab. Es war eine Welt, die den wenigsten vertraut ist und die sich die meisten nicht vorstellen können, von einigen Auserwählten abgesehen, die einen Schimmer von oder eine Verbindung zur Unterwelt der Agenten und der Gegenspionage haben. Diese Parallelwelt bleibt dem größten Teil der Menschheit in ihrem alltäglichen Überlebenskampf verborgen, doch glauben Sie mir, es gibt diese Jauchegrube an Verwechslungen, Lügen und Doppeldeutigkeiten, Unterstellungen, Erpressungen und Bestechungen. Es handelt sich um eine surreale Welt der Doppel- und Dreifachagenten, der wechselnden Loyalitäten, der psychotischen Berufskiller, der gehirngewaschenen Meuchelmörder, Glücksritter und Söldner, deren Haupteinkommensquelle die dreckigsten und verabscheuungswürdigsten subversiven Aufträge sind, die Regierungen erteilen, Aufträge, die niemals ans Licht der Öffentlichkeit gelangen dürfen.

Diese Leute verbringen ihr ganzes Leben damit, zwischen den Regentropfen herumzutanzen und bei der geringsten Spur einer Gefahr zu verschwinden. Auch wenn die meisten Menschen glauben möchten, daß so etwas nur in James-Bond-Filmen möglich sei, nehmen Sie bitte mein Wort darauf: In dieser parallelen Welt entscheidet sich viel von dem, was Sie täglich zu sehen, zu lesen und als Nachrichten vorgesetzt bekommen. Um in der Welt dieser Leute zu überleben, muß man sich an ihre Bedingungen halten, darf man sie niemals nach ihren Handlungen beurteilen oder gar das glauben, was sich die meisten von ihnen zurechtgelegt haben, um es Ihnen zu erzählen. In ihrer Welt ist die einzige wirkliche Waffe ein sehr fein abgestimmter sechster Sinn, der einen lange genug aus Schwierigkeiten heraushält, damit man überleben und bestimmte Dinge ausfindig machen kann. Als ich in diese Welt hineinschlitterte, tauchte ich in ein derart perverses und bösartiges Universum ein, daß es in meiner Seele unauslöschliche Spuren hinterließ. Ich bin professionellen, mit Preisen ausgezeichneten, investigativen Journalisten begegnet, die von dem, was sie zu sehen bekamen, so niedergeschlagen wurden, daß sie sich keinen Reim mehr darauf machen konnten.

Ich war als erster im Segovia angekommen und bestellte mir ein Getränk. Ich ließ mich in einer Ecke vor der Wand nieder und wartete. Zehn Minuten später tauchte Vladimir auf. Er war hochgewachsen, schlaksig, aber elegant gekleidet. Seine Augen funkelten. Als er auf mich zuging, legte er mir zwei Finger leicht auf die Schulter, blickte auf mich nieder und winkte dem Kellner. "Whisky!", verlangte er mit einem kaum noch zu bemerkenden russischen Akzent, das Kennzeichen eines Mannes, der einen erheblichen Teil seines Lebens im Ausland verbracht hatte. Er setzte sich mir gegenüber. Mit der Spitze seines Schreibstiftes entfernte Vladimir einen orangefarbenen Faden von seinem kräftig gestärkten, weißen Hemd. Mir wurde sofort klar, daß dies kein typischer russischer Immigrant war.

"Hören Sie", sagte er, indem er sich näher an den Tischrand heranschob, "wie gut kennen Sie den Typen, der dieses Lokal betreibt?"

"Es ist ein guter Bekannter", antwortete ich, "das war der Grund, weshalb ich Sie hier treffen wollte."

Er atmete erleichtert auf, nickte hastig und sah mich hoffnungsvoll an.

Hinten, am anderen Ende des Raumes, versuchte ein übergewichtiger Kaufmann eine junge Frau mit einem mit Chanel parfümierten Taschentuch zu verführen. Sie war gut gebaut mit breiten Hüften, vollen Lippen und langem welligen Haar.

Vladimir zog eine schwere, abgenutzte, schwarze Lederaktentasche hervor und setzte sie sich vorsichtig auf den Schoß. Zwei kaum zu vernehmende Klicks öffneten das Schloß, mit ausgestrecktem Daumen drückte er es dann vorsichtig auf. Die Tasche steckte voller Papiere, die ordentlich in verschiedenfarbigen Ordnern aufbewahrt wurden. Sie steckten umgedreht im doppelten Boden seiner Aktentasche. Im Laufe der nächsten zwei Stunden ging Vladimir mit mir eine Reihe von Ereignissen durch, die für immer meine heile Welt erschütterten. Die Dokumente, die ich zu sehen bekam, begruben alle Zweifel an der Wahrhaftigkeit dessen, was ich zu hören und zu sehen bekam. Seine Offenheit und Ehrlichkeit wie auch seine Bereitschaft, auf die Fragen einzugehen, die ich an ihn richtete, brachten ihn mir näher. Er hatte alles beisammen: die von der Trilateralen Kommission inszenierte Beseitigung des philippinischen Präsidenten Ferdinand Marcos; Protokolle von den geheimen Treffen, auf denen der Mord an John F. Kennedy besprochen worden war; über das Treffen des Club of Rome am 5. Dezember 1980 in Washington, D. C., auf dem der Bericht Global 2000 angenommen und gutgeheißen wurde – ein Weißbuch für den "globalen Völkermord"; die "Kissinger-Akte" des KGB und vieles mehr.

Doch bevor ich Vladimirs Beweisen ganz folgen konnte, mußte ich sichergehen, daß dieser Mann kein sogenannter "Honigtopf" war – ein Nachrichtendienstler mit echtem Material in der Hand, der von seinen Kontrolleuren mit dem Ziel losgelassen wird, gefährlich gewordene Typen ins offene Messer laufen zu lassen. Ich war ein Neuling in diesem Spiel, und für mich war Schwarz noch schwarz, Rot bedeutete Halt, Grün Gehen, und Gelb bedeutete Vorsicht. Es dauerte lange, ehe ich mich an die Tatsache gewöhnt hatte, daß diese Leute ihre eigenen Regeln mit ins Spiel brachten. Und um zu überleben, mußte man es machen wie sie.

Erst Jahre später fand ich heraus, warum Vladimir zu mir gekommen war. Er war ein Doppelagent, der für den KGB und den MI5 arbeitete. Oder war es umgekehrt, für den MI5 und dann für den KGB? Irgendwie war seine Tarnung aufgeflogen, und er geriet in Verzweiflung. Er bangte um sein Leben, und als ihm jener schicksalsträchtige Zeitungsartikel über meine Familie vor Augen gekommen war, stieß er darin auf jemand anderen als mich, einen, der ihm helfen sollte, nämlich auf meinen Großvater, einen früheren Offizier der KGB-Gegenspionage. Mit diesem Schachzug, so hoffte Vladimir, könnte er sich vielleicht den Weg zurück ins Spiel ebnen.

Er versuchte, seine Verbindungsleute, die jetzt hinter ihm her waren, abzuschütteln. Er brauchte etwas, um mit denen, die versuchten, ihn zum Schweigen zu bringen, wieder ins Geschäft zu kommen. Er meinte, ich, oder eher mein Großvater, könnten ein Verbindungsdraht für ihn werden, weil ich genug Presseleute in Toronto kannte, die ich überzeugen konnte, seine Geschichten zu veröffentlichen, während mein Großvater noch genug Einfluß hätte, um die MI5-Leute in Schach zu halten.

Etwa eine Woche nach dem Treffen hörte ich wieder etwas von Vladimir. Unser Telefongespräch war aber echt verrückt. Wieder befand ich mich in jener parallelen Welt, in der nichts mehr Sinn macht und in der jeder Satz verschlüsselt ausgesprochen wird. Das einzige, an das ich mich in dem Hagel von Zahlen und Daten, die er mir an den Kopf warf, noch erinnern kann, war UP AR 340-18-5. Meine Kontakte im Nachrichtendienst konnten mich damit auf die sehr geheime Original Operation Watchtower verweisen, eine geheime Operation des Rauschgifthandels der US-Regierung, durch den zwischen 1975 und 1984 antikommunistische Aktivitäten finanziert wurden. Die Operation hatte auch etwas mit Überwachung zu tun.

"Vielleicht will er mir sagen, daß er überwacht wurde", vermutete ich. Ich wartete ängstlich auf seinen Rückruf, doch dazu kam es nicht mehr. Statt dessen verschwand Vladimir.

Doch die finstere Welt der Geheimbünde und unveröffentlichten Regierungsoperationen verschwand nicht. Seine Enthüllungen über den Bilderberg-Club stellten meine Welt auf den Kopf und veränderten seither mein Leben. Bilderberg wurde zum Synonym für die Machtergreifung der Eine-Welt-Regierung, und diese abwegige Parallelwelt wurde zu meinem Arbeitsgebiet. Ich wurde zu einem von ihnen, zu einem, der zwischen den Regentropfen tanzt und beim ersten Anzeichen von Gefahr verschwindet: ein Schattentänzer. In Amerika nannte man mich nur noch den "Highlander".

Die Gründung des Bilderberg-Clubs

Stellen Sie sich einen privaten Club vor, in dem Präsidenten, Ministerpräsidenten, internationale Bankiers und Generale gemütlich zusammensitzen, in dem gnädige königliche Anstandsdamen dafür sorgen, das alle gut miteinander auskommen, und in dem Leute, die Kriege anzetteln, die Märkte bewegen und Europa anführen, sagen, was sie sich niemals in der Öffentlichkeit zu sagen getrauen. Genau das ist der Bilderberg-Club, und er ist weltweit die am stärksten abgeschirmte Organisation. Der Grund, warum niemand die Verschwörung dieses Clubs aufbrechen oder ihm entgegentreten will, ist nach den Worten des französischen Rundfunksprechers Thierry de Segonzac der folgende: "Die Bilderberger sind zu mächtig und allgegenwärtig, um bloßgestellt zu werden."

Die Geheimnistuerei der Bilderberger hat die Einbildungskraft von Schriftstellern wie Robert Ludlum und Gayle Lynds in ihren Bann gezogen. In ihren Büchern schreiben sie über Geheimorganisationen nach der Vorgabe der wenigen Tatsachen, die über den Bilderberg-Club veröffentlicht worden sind. In ihren Romanen zeigen sie, daß für den Fall, daß irgendwo in der Welt ein Regime verändert werden soll, sei es, um dadurch den Wohlfahrtsstaat zu erhalten oder die destabilisierende Wirkung von Kapitalbewegungen aufzufangen, dies nur gelingen kann, wenn eine weltumspannende Körperschaft der Makler der Macht sich entschließt, diese Probleme in Angriff zu nehmen und sie auf ihre Tagesordnung setzt.

Prinz Bernhard von den Niederlanden verschrieb sich dem Glauben, größere wirtschaftliche Einbrüche wie die Große Weltwirtschaftskrise der 1920er Jahre ließen sich vermeiden, wenn verantwortungsbewußte, einflußreiche Führer das Weltgeschehen, ohne viel Aufhebens davon zu machen, in die eigene Hand nähmen. Aus diesem Grund trat man mit der Bitte an ihn heran, 1954 ein erstes Treffen "gleichgesinnter" Vertreter aus aller Welt und aus allen Bereichen der Wirtschaft, Politik, Industrie und des Militärs im Hotel Bilderberg in Oosterbeck, Holland, zu organisieren. Man traf sich dort vom 29. bis zum 31. Mai. Am Ende dieser Versammlung erklärten sich die Teilnehmer bereit, eine geheime Vereinigung zu bilden.

Erste Berichte mit der Liste der Gründungsmitglieder nannten das Bündnis nach dem Gründungshotel den Bilderberg-Club. Der Schriftsteller Gyeorgos C. Hatonn deckte bei dieser Gelegenheit auf, daß der deutschstämmige Prinz Bernhard in den frühen 1930er Jahren Offizier im Reitercorps der SS war und im Vorstand einer IG-Farben-Tochter gesessen hatte. In seinem Buch Rape of the Constitution; Death of Freedom (Vergewaltigung der Verfassung; Tod der Freiheit) behauptet Hatonn, Prinz Bernhard habe auf seine Nazi-Vergangenheit bei der Unternehmensführung zurückgegriffen, als er die "hochgeheime Gruppe der Politik-Macher" aufrief, sich nach einem Ableger der IG Farben die Bilderberger zu nennen. Er habe dabei die Initiative des Vorstands der IG Farben, einen "Heinrich-Himmler-Freundeskreis" zu organisieren, im Kopf gehabt. Das sollte eine Elite der Reichtum anhäufenden Führer sein, die Himmler damit reichlich für den Schutz ehrte, den er ihnen während aller nationalsozialistischen Programme, angefangen in der Zeit, als Hitler noch beliebt war, bis zum Zusammenbruch von Nazi-Deutschland, gewährt hatte. Hollands königliche Familie hatte diesen Teil der Vergangenheit Prinz Bernhards diskret begraben, als er nach dem Krieg ein leitender Angestellter bei Royal Dutch Shell, dem niederländisch-britischen Großunternehmen, geworden war. Heute bildet diese reiche europäische Ölgesellschaft einen Teil des inneren Kreises der Bilderberg-Elite.

Während der ersten Versammlung der Bilderberger legten die Gründungsmitglieder ihre Aufgaben und Ziele fest.

Die Absicht hinter jedem und allen Bilderberg-Treffen war die Frage: Wie bringt man in Europa und in den Vereinigten Staaten eine durch gemeinsame Zwecke verbundene "Aristokratie" zustande und zusammen, und wie erzielt man deren Übereinstimmungen in Fragen der Politik, Wirtschaft und Strategie, um gemeinsam die Welt zu beherrschen? Das NATO-Bündnis bildete die entscheidende Ausgangsbasis ihrer Operationen und Unterwanderungen, denn es lieferte die Grundlage für ihre Pläne des "permanenten Kriegs" oder zumindest für ihre Politik der "nuklearen Erpressung".

Ich werde dafür anhand von Beispielen und Veranschaulichungen den Nachweis erbringen, wenn wir das Geheimnis der Bilderberger Schicht um Schicht lüften und ihre eigentlichen Absichten bloßlegen. Diese waren dem ehemaligen französischen Präsidenten General Charles de Gaulle nur allzu klar geworden.

In seinem Nachrichtendienst Les Documents, Politiques, Diplomatiques et Franciers (Dokumente zu Politik, Diplomatie und Finanzen) vom Oktober 1967 analysierte der politische Beobachter Roger Mennevee die Beziehung der Bilderberger zu de Gaulle. Er leitete seinen Bericht mit der erstaunlichen Beobachtung ein: "Alle Persönlichkeiten in Frankreich, die Verbindungen zur Bilderberg-Gruppe unterhielten, wie Georges Pompidou, Antoine Pinay, Pierre Pflimlin, Guy Mollet, waren auch die schärfsten Gegner der Atompolitik Charles de Gaulles", die unter der Bezeichnung Force de Frappe bekannt wurde. Pampidou war Ministerpräsident, Antoine Pinay, Pierre Pflimlin und Guy Mollet waren Staatsminister in der französischen Regierung. Warum das? Weil es, wie schon erwähnt, eines der Hauptziele der Bilderberger war, die Souveränität der freien Nationen Europas einer von den Bilderbergern kontrollierten, britisch-amerikanischen Weltregierung zu unterwerfen. Diese wollte die nukleare Bedrohung als Rammbock gegen die übrige, nicht willfährige Welt einsetzen.

Um Europa in den Griff zu bekommen, war es entscheidend, Frankreichs nukleare Abschreckung zu beseitigen, selbst wenn diese Abschreckung zum Niederhalten der sowjetischen nuklearen Bedrohung lebenswichtig gewesen war. Der Biograph General de Gaulles, Jean Lacouture, schrieb:

De Gaulle mußte in Europa eine unüberwindliche Machtposition gegen die am Freihandel orientierte, neue imperiale Weltordnung Großbritanniens aufbauen. Aus diesem Grund mußte Frankreich zu einer der drei Grundpfeiler der freien Welt statt im Gegensatz dazu nur zu einer der Säulen des Europäischen Tempels werden.

Wenn wir die Tagesordnung der Bilderberg-Treffen seit 1954 untersuchen, so schält sich hierbei erstaunlicherweise der Versuch heraus, die Unterschiede in der Ideologie zwischen den amerikanischen und europäischen Aristokratien hinsichtlich der Art und Weise, wie diese Gruppen den Planeten auszuplündern gedachten, zu handhaben und unter Kontrolle zu bringen. So spricht man zum Beispiel auf Seite 7 des Allgemeinen Berichts über das Bilderberg-Treffen des Jahres 1955 von "der Beseitigung von Mißverständnissen und möglichen Verdächtigungen zwischen den Ländern Westeuropas und der USA angesichts der sich in der Welt anhäufenden Gefahren".

Seit 1954 haben die Bilderberger die Elite und den absoluten Reichtum aller Nationen des Westens repräsentiert: Die Finanziers, Industriellen, Bankiers, Politiker, die Geschäftsführer internationaler Unternehmen, Präsidenten, Ministerpräsidenten, Finanzminister, Außenminister, Repräsentanten der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds, die Präsidenten der Medienkonzerne von Weltrang und die Militärführer.

Im September 2005 gab der 73jährige Vicomte Etienne Davignon in einer Geste, die einen Präzedenzfall vorgeben und den Vorwurf, der Bilderberg-Club betreibe Verschwörerung, widerlegen sollte, dem Journalist Bill Hayton von der BBC ein Interview. Darin strich er den eher wohltätigen Zweck der "privaten" Treffen des Clubs heraus:

Ich denke, es handelt sich einfach darum, daß sich Leute von Einfluß mit anderen Leuten von Einfluß auf einem Forum unterhalten wollen, das ihnen erlaubt, frei zu sprechen und ihre Meinungsverschiedenheiten herauszufinden, ohne daß dies Kritik und eine öffentliche Debatte über ihre Absichten auslöst.

Davignon bestritt, daß die Bilderberger eine global regierende Klasse etablieren wollen, "weil ich nicht glaube, daß es eine solche global regierende Klasse überhaupt gibt". Statt dessen machte er geltend:

Die Geschäftswelt beeinflußt die Gesellschaft, und die Politik beeinflußt die Gesellschaft – das ist eine Binsenwahrheit. Es ist aber nicht wahr, daß die Geschäftswelt demokratisch gewählten Führern das Recht auf Führung streitig macht.

Kriege wurden normalerweise zur Erweiterung des Herrschaftsgebietes ausgetragen. Doch in dem neuen Zeitalter der Globalisierung, in dem Geschäftswelt und Politik um des Überlebens willen voneinander abhängen, dominiert die wirtschaftliche Kontrolle. Ungeachtet der Behauptungen des Vorsitzenden der Bilderberger übt der Club zweifellos wirtschaftliche Gewalt auf den Welthandel aus. Und die Tatsache bleibt bestehen, daß die Öffentlichkeit nicht in die Protokolle der Bilderberg-Jahresversammlungen eingeweiht wird. Die Mitglieder treffen sich heimlich, um ihre globale Strategie abzusprechen und in einer großen Anzahl von Themen Einvernehmen zu erzielen. Eine derartige Geheimnistuerei ist verdächtig. In den folgenden Kapiteln ist es mein Ziel, die Geheimhaltung der Bilderberger zu lüften und zu zeigen, wie dieser private Club von Weltführern und Verbindungsagenturen durch internationale Gesetze, die sie manipulieren, alle freien Nationen ihrer Herrschaft unterwerfen und die Vereinten Nationen an die Macht bringen wollen.

Bilderberg-Mitglieder "leiten" die Zentralbanken und sind daher in der Lage, die Diskontrate, den Grad der Geldversorgung, die Zinsraten und den Goldpreis ebenso festzulegen wie zu bestimmen, welchen Ländern Kredit gewährt wird. Dadurch, daß sie den Geldwert im Geschäftsumlauf manipulativ auf- und abwerten, verschaffen sich die Bilderberger Milliarden von Dollars. Dabei treibt sie die Ideologie des Geldes und die Gier nach Macht an.

Jeder US-Präsident seit "Ike" Eisenhower hatte dem Bilderberg-Club angehört, ebenso Tony Blair und die meisten der wichtigsten Mitglieder der britischen Regierung. Auch Kanadas herausragender früherer Premierminister Pierre Trudeau war dort Mitglied. Zu früheren Bilderberg-Treffen waren eingeladen worden: David Rockefeller, Alan Greenspan, der ehemalige Vorsitzende der Federal Reserve Bank, Hillary und Bill Clinton, John Kerry, Melinda und Bill Gates, Henry Kissinger und Richard Perle.

Ebenso die Leute, die bestimmen, was Sie zu sehen und zu lesen bekommen, Medienbarone wie David Rockefeller, Conrad Black (der jetzt in Ungnade gefallene, frühere Besitzer von über 440 Medienunternehmen ringsherum in der Welt angefangen mit der Jerusalem Post bis hin zu Kanadas neuester Tageszeitung The National Post), Edgar Bronfman, Rupert Murdoch und Sumner Redstone, der Vorstandsvorsitzende von Viacom, einem internationalen Medienkonzern, der im Grunde mit jedem größeren Segment der Medienindustrie in Kontakt steht. Diese Leute haben die Geheimniskrämerei dieses Geheimbundes geschützt, und dies mag der Grund sein, weshalb Ihnen der Name Bilderberg neu ist.

Wohin Sie auch blicken – auf die Regierung, die Großindustrie oder auf jede andere Institution, die Macht ausüben will – der Schlüssel ihrer Machtausübung ist Geheimhaltung. Die Treffen der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), der G8, der Welthandels-Organisation, des Weltwirtschafts-Forums, der Zentralbanken, des EG-Ministerrats und der EU-Kommission, des EU-Gipfels, die Konferenzen der Regierungskabinetts, zahlreicher Denkfabriken usw. – sie finden alle immer hinter verschlossenen Türen statt. Der einzig mögliche Grund dafür ist, daß sie nicht wollen, daß Sie und ich wissen, was da besprochen wird. Die abgedroschene Ausrede dafür, daß man diese Dinge unter Verschluß hält, lautet immer wieder: "Sie sind nicht von öffentlichem Interesse." In Wirklichkeit heißt das: Es ist nicht im Interesse der jeweils an der Macht befindlichen Regierung, daß die Öffentlichkeit weiß, was sie bespricht und entscheidet. Abgesehen von dem verbreiteten Widerwillen, die Protokolle ihrer Versammlungen offenzulegen, erstreckt sich die prinzipielle Geheimhaltung auch auf ihre Foren und Versammlungen selbst; das soll heißen: Im großen und ganzen sollen wir nicht einmal wissen, daß solche Treffen überhaupt stattfinden, geschweige denn, was bei ihnen geplant und besprochen wird.

Da gibt es im Januar/Februar das Weltwirtschafts-Forum in Davos, die Bilderberg- und G8-Treffen im April/Mai und die Jahreskonferenzen von IWF und Weltbank im September. Dabei bildet sich eine Art internationales Einverständnis heraus, das von einem Treffen zum anderen weiter ausgebaut wird. Doch niemand leitete es im eigentlichen Sinne. Dieses Einvernehmen bildet den Hintergrund der G8-Wirtschaftskommuniqués; es prägt den IWF, wenn er zum Beispiel Argentinien sein Anpassungsprogramm auferlegt; und es liegt dem zugrunde, was der US-Präsident dem Kongreß vorschlägt.

Nach einer Entwurfsvorlage kam es zur Anbahnung des Bilderberg-Treffens von 1989 aus der Sorge, die viele führende Bürger beiderseits des Atlantiks zum Ausdruck brachten, nämlich daß Westeuropa und Nordamerika in Fragen von höchster Bedeutung nicht so eng zusammenarbeiten würden, wie es sein sollte. Man meinte, regelmäßige, inoffizielle Diskussionsrunden würden dazu beitragen, ein besseres Verständnis für die komplexen Kräfte und wichtigsten Trends zu schaffen, welche die westlichen Nationen in der schwierigen Nachkriegszeit beträfen.

Nach Aussagen von Giovanni Agnelli, dem inzwischen verstorbenen Fiat-Chef, suchten Lord Rothschild und Laurence Rockefeller, die Schlüsselpersonen der zwei mächtigsten Familien der Welt, zu dem geheimen Zweck 100 Personen der Elite dieses Planeten handverlesen aus, damit sie Europa in Regionen aufteilen sollten. Agnelli sagte damals:

Die europäische Integration ist unser Ziel, und wir Industrielle hoffen da auf Erfolg, wo die Politiker versagt haben.

"Hier wird keine Politik gemacht; es wird nur geredet; einiges davon ist banal und besteht aus Platitüden", sagte der Herausgeber des London Observer, Will Hutton, der 1997 am Bilderberg-Treffen teilgenommen hatte.

Doch der Konsens, der zustande kommt, bildet die Grundlage, auf der weltweit Politik gemacht wird.

Nach Aussagen von Prinz Bernhard aus Holland, dem Gründer, "wird jeder Bilderberg-Teilnehmer auf magische Weise aus seinem Geschäftshintergrund gelöst", wenn er die Versammlung betritt, und er "wird bis zum Ende der Konferenz zum einfachen Bürger seines Landes".

Prinz Bernhard, der Vater von Königin Beatrix von den Niederlanden und ein enger Freund und Kollege des Prinzen Philip von Großbritannien, starb im Jahre 2004. Er betonte zu Lebzeiten:

Wenn die Vertreter der westlichen Führung eine Bilderberg-Versammlung wieder verlassen, tragen sie den Konsens der Gruppe mit sich. Die anspruchsvollen Bilderberg-Debatten zielen darauf ab, durch die Schlichtung von Streitigkeiten Einigkeit zu schaffen. Dadurch haben sie einen wichtigen Einfluß auf die Teilnehmer.

Interessanterweise scheint von dem Augenblick an, an dem die Bilderberg-Konferenz endet, – "fast zufällig" – der Konsens, der auf den unterschiedlichsten Gebieten bei den Diskussionen auf dem Jahrestreffen der Bilderberger erzielt worden ist, von den allmächtigen politischen und kommerziellen Interessen mit Hilfe der anerkannten Presse von ganzem Herzen angepriesen zu werden, während er gleichzeitig zur allgemeinen Politik der international regierenden Interessen in scheinbar unterschiedlichen Lagern wird.

...

Der Rat für Auswärtige Beziehungen (CFR*)

Nicht die Trilaterale Kommission bestimmt insgeheim den Lauf der Welt. Das tut der Rat für Auswärtige Beziehungen. Sir Winston Lord, 1978 Präsident des Rates für Auswärtige Beziehungen und Beigeordneter Minister im US-Außenministerium, in Aid & Abet, Vol. 2, Nr. 2, S. 7

* CFR = Council on Foreign Relations

Ein Arrest

Für einen Moment war ich nicht mit dem Kopf bei den Bilderbergern. Auch lag es nicht an dem verschlafenen Urlaubsort Stresa, wo sie in diesem Jahr ihr Treffen planten. Vielmehr war ich mit meinen Gedanken dabei, einen Sinn in meinem bisherigen Tun zu finden, während ich mich durch den Mailänder Internationalen Flughafen Malpensa drängte. Sollte es in dem Lagerhaus voller Erinnerungseindrücke und verborgener Muster auch einen Schlüssel zu meinem rätselhaften Lebensweg geben? Und was wäre, wenn ich diesen Schlüssel niemals finden würde? Was würde dann aus mir werden?

"Buona Sera. Würden Sie bitte mit uns kommen, Sir?"

Die scharfe Stimme zerschnitt mein Grübeln. Ich blickte auf. Ein Mann in einen Regenmantel hatte mich angesprochen. Der Regenmantel kam mir sonderbar vor. Durch die Glaswand des Terminals konnte ich den blauen, mediterranen Himmel erkennen. Kein Wölkchen war in Sicht. Doch dann bemerkte ich den Abdruck der Maschinenpistole, die er um die Schulter gehängt unter seinem Mantel trug.

In meinem Magen begannen Schmetterlinge zu flattern. Das Gefühl einer verhängnisvollen Tragödie oder, um genauer zu sein, der stets gegenwärtige Schatten, mit dem ich zu leben hatte, erinnerten mich an die gefahrvolle Lebensweise, die ich mir, um meinen Lebensunterhalt zu verdienen, selbst ausgesucht hatte.

Der Mann im Regenmantel baute sich unmittelbar vor mir auf, schlug die Absätze zusammen und tippte mit Zeige- und Mittelfinger zum Gruß an seine Schläfe. Sofort kamen mir Tweedle Dum und Tweedle Dee in den Sinn, mit denen ich 2003 in Versailles Erfahrungen machen mußte. Er wies sich als Detektiv aus. "Würden Sie bitte mit uns kommen?", fragte er erneut.

Flankiert von zwei Schutzpolizisten und einem für Drogen zuständigen Beamten mit einem Doberman an der Leine, gingen der Detektiv und ich zu einer Arrestzelle, in der normalerweise kleine Ganoven und Schwerverbrecher verhört und durchsucht wurden. Der Raum war so klein, daß der breite Schreibtisch, der das Innere beherrschte, kaum hineinpaßte. Zu diesem Eindruck einer absurden Unausgeglichenheit kam noch ein niedriges Beistelltischchen hinzu. Obenauf stand eine kleine Schreibtischlampe. Sobald wir uns alle mitsamt dem Dobermann drinnen zusammengedrängt hatten, verschloß der Detektiv die Tür.

In der unheimlichen Stille konnte ich hören, wie der Wind außen am Fenster vorbeistrich, während ich drinnen durch die dünnen Wände des Raumes vernahm, wie nebenan jemand weinte, dem ein rhythmisches Schluchzen folgte. Und dann nahmen schwere Schritte auf dem Korridor meine Aufmerksamkeit gefangen.

"Sie können Ihren Mantel ablegen", sagte einer der Schutzleute und nickte mit dem Kopf in Richtung eines großen Kleiderständers, der in der Ecke stand.

Während ich mich daran erinnere, schäme ich mich wegen der Ängstlichkeit, die mich überkam, als ich ganz mechanisch den Reißverschluß meiner Windjacke öffnete. Ich streckte mich, um hinaufzureichen, und warf die Windjacke über den obersten Haken. Aber ich griff zu kurz und riß dabei zwei andere Mäntel und eine Tuchjacke mit herunter. Die vier Kleidungsstücke rutschten zu Boden. Ich überlegte, ob ich sie aufheben sollte, beschloß dann aber, den Kleiderhaufen auf dem Fußboden liegenzulassen. Ich lehnte mich gegen die Wand und sah meinem Fragesteller ins Gesicht, entschlossen, kühl zu bleiben, merkte aber, wie der Schweiß meinen Hals im Nacken anfeuchtete.

"Lei come si chiama?" (Wie heißen Sie?)

Ich nannte ihm meinen Namen.

"Welche Nationalität haben Sie?"

"Kanadier."

"Di che parte di Canada é lei? (Aus welchem Teil Kanadas sind Sie?) Lei dove abita? (Wo leben Sie?) Qual é il suo numero di telefono? (Wie lautet ihre Rufnummer?) Éla prima volta che viene in Italia? (Ist dies Ihr erster Besuch in Italien?)"

Ich antwortete ihnen mit knappen Worten. In den Jahren, in denen ich hinter dem Bilderberg-Club her war, habe ich gelernt, daß dies der beste Weg war, um Konfrontationen mit sturen Zollbeamten und schießwütigen Polizisten zu vermeiden. Ich hatte erlebt, wie andere Journalisten wegen ihrer Frechheit an der Grenze zurückgewiesen wurden.

"Wir möchten gerne Ihren Koffer überprüfen. Wir haben Grund zu der Annahme, daß Sie Rauschgift mit sich führen", sagte der Detektiv.

Rauschgift! Diese Anklage verblüffte mich.

"Wenn Sie Rauschgift dabei haben, dann sagen Sie uns das lieber, bevor wir Ihre Tasche öffnen", fügte der für Betäubungsmittel zuständige Beamte hinzu.

Daß man mir vorwirft, Drogen bei mir zu haben, hätte mich normalerweise nicht erschreckt. Ich nehme keine Drogen, rauche nicht und trage sie schon gar nicht auf internationalen Reisen in meinem Koffer mit mir herum. Doch ist mein Name international bei allen Geheimdiensten, vom Mossad über KGB, MI6, FBI, CSIS bis zum CIA, bekannt. Jeder Reporter, der über ein Jahrestreffen der Bilderberger berichtet hat, wird fotografiert, seine Personalien werden aufgenommen und die Informationen über Interpol an alle internationalen Sicherheitsbehörden weitergegeben.

Konnte mir jemand Rauschgift in den Koffer geschmuggelt haben? Ich hatte nur das Gepäck bei mir, das ich in Händen hielt. Ich hatte nichts in der Gepäckabfertigung und hatte meine Tasche bei mir behalten. Ich marterte mein Gehirn. Habe ich die Tasche einen Moment lang unbeobachtet gelassen? Wie ich auch versuchte, meine Nervosität zu beherrschen, ich konnte keinen Krümel Hoffnung finden. Das Beste, was ich erwarten konnte, war, ins Flugzeug zurückgebracht und wieder nach Hause zurückgeschickt zu werden. "Das verlorene Bilderberg-Paradies" könnte die Schlagzeile in der nächsten Ausgabe meiner Zeitung lauten.

Einer der Schutzleute hob meinen Koffer auf und legte ihn auf den großen Schreibtisch. Er kehrte mir beim Öffnen den Rücken zu. Alles, was ich sehen konnte, waren seine kantigen Ellenbogen, die sich hin- und herbewegten, während er in meinen Sachen herumstöberte. Plötzlich blickte er auf, stieß einen Laut aus und zog einen dünnen, abgenutzten Gedichtband von Afanasii Fet aus meiner Tasche. Fet war ein impressionistischer russischer Schriftsteller am Ende des 19. Jahrhunderts; er konnte Verse schreiben, die nur aus Hauptwörtern bestanden und dabei doch ein Gespür von Widerspenstigkeit erzeugen, das mich ausgesprochen erstaunen ließ. Dieses Buch drückte das Wesen meiner russischen Seele aus, und ich sah nervös zu, wie der Polizist die mit Eselsohren versehenen, russisch bedruckten Seiten durchblätterte. Wie auf ein Stichwort hin begann jeder im Raum zugleich zu reden.

Der andere Polizist mit Brille grabschte nach meinem Buch und verkündete sofort, er sei in Rußland gewesen und verstünde einige russische Wörter. "Borsch (Rote-Bete-Suppe)", warf er mir stolz zu, und dann raduga (Regenbogen) und privet (hallo).

Mit seinem beschränkten Wortschatz versuchte er dann einen zusammenhängenden Satz zu bilden. Ich hörte pflichtbewußt, mit halboffenem Mund, zu: seine Russisch-Kenntnisse erinnerten mich an die Weite der "Stepa", jener Insel der Hoffnung inmitten einer unendlichen Leere. Schon seiner Verballhornung meiner Muttersprache zuzuhören war schwierig genug, aber noch den Versuch zu machen, einen Sinn aus dem, was er stammelte, herauszuhören, wurde zur reinen Folter.

Der Detektiv setzte sich auf die Bank an meiner Seite, während ich noch an die Wand gelehnt stand. Er stopfte sich ein Pfefferminzbonbon in den Mund und nahm dann dem Polizisten meinen Band Fet ab. Er strich mit dem Finger über den Rücken, bevor er das Buch öffnete und die Seiten durchblätterte. Wie die meisten Leute, die wenig lesen, bewegte er den Kopf im Rhythmus seiner Lippen, während er den Wörtern auf einer Seite folgte. Dann verlor er das Interesse an dem Buch und legte es auf die Bank neben sich – abgehakt. Er war einer jener unangenehmen Vertreter der Sicherheitskräfte, die man an allen Flughäfen antrifft: finster, nicht mehr allzu jung, mit einer scharfgeschnittenen Nase, glatt gescheiteltem Haar, vortretenden Augenlidern und abgebissenen Fingernägeln.

Im Raum nebenan lachte jemand laut röhrend. Auf dem Gang wurde ein Stuhl mit Gewalt über den Fußboden geschleift. Plötzlich sprang unsere Tür auf. Ein Kriminalbeamter, der ein Pistolenfutteral über seiner Schulter hängen hatte, trat ein. In seiner linken Hand hielt er einen roten Ordner. Als er den Detektiv erkannte, brüllte er vor Freude und streckte ihm seine rechte Hand mit weit ausgespreizten Fingern entgegen. Der Detektiv ergriff die freie Hand des anderen und klopfte ihm heftig auf den Rücken. Der Kriminalbeamte flüsterte dem Detektiv etwas zu, und beide drehten mir den Rücken zu, während sie miteinander tuschelten. Sie schoben sich an die zwei Polizisten und den Drogenbeamten heran und steckten die Köpfe zusammen. Obwohl sie zu flüstern versuchten, konnte ich einzelne Satzfetzen auf Italienisch ausmachen: Cosa vuol dire …? (Was meinen Sie?), Non capisco nulla (Ich verstehe nichts!), Che cerca (Was sucht er?).

Sie schienen sich geeinigt zu haben, denn plötzlich hörten sie auf zu reden. Der Detektiv drehte sich um, streckte sich und ging auf mich zu. Er baute sich vor mir auf. Wir standen uns Auge in Auge gegenüber. Die Polizisten postierten sich an der Türe, der Drogenbeamte setzte sich auf die Ecke des Schreibtisches, und der Kriminalbeamte lehnte sich mir gegenüber an die Wand. Während sie ihre Positionen einnahmen, schlief der Doberman ruhig auf seiner Matte weiter.

"Warten Sie mal, woher kenne ich Sie?"

Für ihn vollkommen untypisch schlug der Detektiv einen sanfteren Ton an, aber seine viertklassige Schauspielkunst ließ ihn nur weniger bedrohlich und dafür eher lächerlich erscheinen. Ich widerstand dem Drang zu lächeln. Nach einer Stunde dieses endlosen Verhörs kam mir die Prozedur wie einstudiert vor, und ich begann an der Situation einen makaberen Humor zu entdecken.

Noch einmal die gleiche Frage. "Dove siete alloggiati? (Wo sind sie untergebracht?)"

Dieses Mal fragte er mich nach meinem Flugschein und der Hotelreservierung. Ich suchte ihm beide Papiere hervor, sie waren bis zur Unkenntlichkeit im Chaos meiner Tasche zerknüllt.

"Welchen Grund könnten Sie haben, zu dieser Jahreszeit nach Stresa zu kommen?"

Ich sagte nichts. Ich beugte mich vor, um meinen Band Fet, der vergessen auf der Bank lag, aufzuheben.

"Kümmern Sie sich nicht um das Buch", belehrte mich der Detektiv.

Ich gehorchte mitten in der Bewegung und richtete mich wieder auf. Der Detektiv zog jetzt ein Foto aus dem roten Ordner, den er nun in seine rechte Hand nahm. Ich konnte es kaum glauben: Ich schaute auf die Kopie eines verschlissenen Schwarzweißfotos aus meiner spanischen Kennkarte.

"Was für Geschäfte haben Sie in Stresa zu erledigen?" Er wiederholte die Frage in perfektem Englisch.

Ein Irrtum war ausgeschlossen. Jemand im spanischen Innenministerium hatte den italienischen Sicherheitskräften mein Foto zur Verfügung gestellt. Die Italiener wußten, warum ich nach Mailand geflogen war, und hatten mich erwartet. Noch schlimmer, das spanische Innenministerium hatte mit den Bilderbergern zusammengearbeitet, um meine Nachforschungen zu stoppen. Ich starrte wie gebannt auf ein Stück Aluminiumfolie, das auf dem Fußboden glänzte, während mir die Gedanken durch den Kopf schossen.

Plötzlich reihte sich Stück an Stück. Ich verstand nun, was ich, ohne es bisher zu verstehen, erlebte, weshalb mich die Flughafenpolizei festgehalten hatte, weshalb sie mich verhörte, weshalb sie mir die Zeit stahl. Sie konnte mich nicht festnehmen, weil ich nichts angestellt hatte. Aber sie konnte mich auch nicht laufen lassen, weil man ihr den Auftrag erteilt hatte, mich festzuhalten. Die Lösung war recht einfach: Ich war ein freier Mann. Der nächste Zug gehörte mir.

"Meine Herren", sagte ich, "Sie haben die Wahl, entweder nehmen Sie mich jetzt fest und klagen mich eines Verbrechens an, oder Sie lassen mich laufen. Die Maskerade ist vorüber. Sie wissen, warum ich hier bin, und ich weiß, Sie wissen, daß ich Ihr Spiel durchschaut habe."

Dem folgte eine weitere kurze Beratung der Fünf untereinander. Ich wartete und konzentrierte mich auf den Schatten, den das Stückchen Aluminiumfolie, das noch auf dem Boden lag, warf. Mich ekelte das alles an, ich war wütend auf sie, auf mich und auf die Welt, die die Bilderberger nicht wahrnahm, nicht wahrnehmen wollte und sich nicht um sie kümmerte. In der bedeutungslosen Form des Schattens erkannte ich die normale Existenz des Augenblicks.

Ich wußte aber auch, daß ich in wenigen Minuten mit dem Taxi nach Stresa am Ufer des Lago Maggiore zum Jahrestreffen des Bilderberg-Clubs fahren würde, daß ich eine Gruppe furchtloser Journalisten wiedertreffen würde, meine Freunde, die sich allen Widrigkeiten zum Trotz in diese verschlagene Kleinstadt aufgemacht hatten. Es waren Leute wie ich, die sich mit unvorstellbaren Schwierigkeiten abfanden, um den Plan der Bilderberger zur Durchsetzung einer Weltregierung, der Eine-Welt-Ordnung aufzudecken.

Was ist das, die Zeit … fragte ich mich und flüchtete mich wieder in meine Gedanken …, wenn nicht ein bloßer Ablauf und Verfall, eine Form von Bewußtsein, die Geburt des Gewissens, das aber nur vergänglich ist? Und doch verstehe ich immer weniger, warum mich das Schicksal immer wieder mit den Bilderbergern zusammenbringt, warum ich über sie schreiben muß.

Schreiben, habe ich einmal gelesen, heißt nicht, abwesend zu sein, sondern abwesend zu werden; jemand zu sein und sich dann davonzumachen und Spuren zu hinterlassen. Und diese Spuren, habe ich schließlich festgestellt, fügen sich zu unserer Vergangenheit zusammen.

Ich versuchte, mich darauf zu konzentrieren, was mich in Stresa erwartete: ein 22-stündiger Arbeitstag, Telefonate, um die Informationen meiner Quellen zu überprüfen, ständige Schikanen seitens der Geheimdienste, Drohungen, unbefugtes Durchsucht-Werden, Treffen und noch mehr Begegnungen mit den wenigen mutigen Leuten, die den Bedrohungen der Bilderberger trotzen, um uns kostbare Details von deren teuflischen Plänen zu liefern. Aber ich konnte meinen Geist nicht dazu bringen, sich darauf zu besinnen.

Zusammenhanglose Bilder schwirrten mir durch den Kopf: totale Versklavung, von Menschen verursachte Hungersnöte, die Millionen ins Grab brachten, Not und noch mehr Not, unbeschreibliche, unmenschliche Opfer. Warum das alles? Ist es wirklich möglich, daß jemand des persönlichen Gewinnes wegen so viel Elend über die Welt bringt? Während ich mit den Tränen kämpfte, erinnerte ich mich wieder daran, daß meine Suche nach der Wahrheit ein Bestehen auf Anständigkeit auf Kosten von Gier und Macht war.

Ich grübelte weiter über ein glückliches Ende der noch zu schreibenden Geschichte über das verlorene Paradies nach: über unsere überall beschädigte Welt. Was wäre, wenn man das Glück endgültig verlöre? Das Paradies und sein Verlust sind untrennbar miteinander verwoben. Es ist nicht nur so, daß die eigentlichen Paradiese erst die verlorenen Paradiese sind, sondern auch, daß es kein Paradies ohne seinen drohenden Verlust gibt. Es ist kein wirkliches Paradies, wenn man es nicht verlieren könnte.

Bilderberg war mir natürlich zur einer Metapher für Angst geworden. Hinter all seinem Wahnsinn steckt ein Verstehen, daß Zeit und Raum, wie Liebe und Tod, uns verändern und uns bestärken, sie hängen uns an und stellen uns auf die Probe; sie beinhalten das Unwiderrufliche und machen uns zu dem, was wir sind.

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