Auszüge aus Rainer Patzlaff's
"Medienmagie"

oder: Die Herrschaft über die Sinne

Rainer Patzlaff, geboren 1943. Studium der Germanistik, Graecistik und Philosophie in Münster/Westfalen und Berlin. Wissenschaftlicher Assistent an der FU Berlin, Promotion mit einer interdisziplinären Studie zur Entstehung des Endreims. Referendariat und Lehrtätigkeit am Gymnasium. Seit 1975 Oberstufenlehrer an der Freien Waldorfschule Uhlandshöhe in Stuttgart. Dozent am Seminar für Waldorfpädagogik Stuttgart.

Über das Buch
Die gewaltige Invasion der neuen technischen Systeme folgt einem inneren Gesetz. Sie kann nur dort zum Zuge kommen, wo wir selbst das Feld geräumt haben. Das geistige Vakuum, das wir in unserem Denken und Sprechen selbst geschaffen haben, indem wir uns mit der ganzen Fülle unseres persönlichen, menschlich warmen Erlebens daraus zurückgezogen haben, ist nun der Ort, in den Maschinen mit künstlicher Intelligenz hineindrängen, um uns mit unseren eigenen Waffen zu schlagen. Den Fortschritt aus menschlichen Kräften zu gestalten, statt ihn Maschinen zu überlassen, dazu möchte das Buch eine Anregung sein.
Elektronische Medien beherrschen unseren Alltag. Fast auf Schritt und Tritt begleiten sie uns, im privaten Leben und in der Öffentlichkeit, am Arbeitsplatz und in der Freizeit. Je weiter die Entwicklung aber voranschreitet, desto deutlicher tritt auch die besorgniserregende Seite der Medien hervor: Sie gewinnen immer mehr Eigenleben und durchsetzen unsere natürliche Sinneswelt mit einer zweiten, künstlichen Sinneswelt, die keineswegs so harmlos ist, wie sie vielen erscheint.

weitere Informationen zu Rainer Patzlaff beim Ipsum-Institut (unter: Mitarbeiter)
Wie werden Kinder medienkompetent? Ein Interview mit Dr. Rainer Patzlaff

zurück zur Seite über Manipulation

Vorwort zur dritten Auflage

In keinem Bereich der heutigen Technik und Industrie schreitet die Entwicklung so stürmisch voran wie bei den Computern und elektronischen Medien: Immer schnellere und leistungsfähigere Geräte drängen auf den Markt, immer neue Möglichkeiten der Kommunikation und Mediennutzung werden angeboten, die unseren Alltag Schritt um Schritt verwandeln. Schon können wir uns kaum mehr vorstellen, wie es einmal war ohne Fax und E-Mail, ohne Handy und PC.

Angesichts dieser raschen Veränderungen mußten Autor und Verlag sich fragen, ob eine medienkritische Abhandlung wie die vorliegende fast elf Jahre nach ihrem ersten Erscheinen 1988 und sieben Jahre nach der überarbeiteten Neuausgabe von 1992 überhaupt noch aktuell sein kann. Ist die Entwicklung nicht längst über das damals Dargestellte hinweggegangen?

Die Frage ist sowohl mit einem Ja als auch mit einem Nein zu beantworten. Mit einem Ja insofern, als in der Tat ganz neue Techniken zu den schon besprochenen hinzugetreten sind, die 1988 nicht einmal dem Worte nach bekannt waren und auch 1992 noch in den Kinderschuhen steckten: Internet und Cyberspace (Virtuelle Realität). Mit einem Nein insofern, als die in dem Buch dargestellten grundsätzlichen Probleme unverändert fortbestehen. Mögen auch die illustrierenden Beispiele, die man heute geben könnte, andere sein – die geschilderten Angriffe auf die Autonomie des Ich sind so gegenwärtig wie damals und haben an Stärke und Raffinesse eher noch zugenommen.

Im übrigen hat das Buch von Anfang an keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhoben. Viele neue und bedeutende Aspekte sind im Laufe der Jahre hinzugetreten, die nach einer gesonderten Darstellung verlangen und nicht angemessen zu behandeln wären, würden sie nur als Ergänzungen in das schon vorhandene Buch eingearbeitet.

Aus diesen Gründen erscheint die Medienmagie hier noch einmal in einer dritten, nur leicht bearbeiteten Auflage, während die neueren Entwicklungen Gegenstand eines eigenen Buches sein werden, das bereits in Vorbereitung ist und im Jahre 2000 herauskommen soll.

Vorwort zur Neuausgabe 1992

Elektronische Medien beherrschen unseren Alltag. Fast auf Schritt und Tritt begleiten sie uns, im privaten Leben und in der Öffentlichkeit, am Arbeitsplatz und in der Freizeit. Kein anderer Wirtschaftszweig der Gegenwart hat ein so gewaltiges Wachstum zu verzeichnen, kein anderer ein so rasantes Entwicklungstempo wie die Medien- und Computertechnik. Jeder kennt die grandiosen Fortschritte und kann den Erfindergeist, der sich hier entfaltet, nur bestaunen.

Je weiter aber die Entwicklung voranschreitet, desto mehr tritt eine ganz andere Seite der Medien hervor, die Besorgnis erregen muß. Einst dazu geschaffen, "Vermittler" zu sein zwischen Mensch und Welt, richteten sich die Medien an das wache, kritische Bewußtsein des aufgeklärten Zeitgenossen und stellten sich ihm als Mittel der Wahrnehmung zur Verfügung. Heute versehen sie diese Fünktion nur noch zu einem geringen Teil; überwiegend werden sie zur Unterhaltung eingesetzt, und die Unterhaltung entartet zur Dauerberieselung. Dadurch gewinnen die Medien immer mehr Eigenleben und durchsetzen, ja überblenden unsere natürliche Sinneswelt mit einer zweiten, künstlichen Sinneswelt, die keineswegs so harmlos ist, wie sie vielen erscheint, sondern eine zerstörerische Dynamik in sich birgt. Längst weisen die Kritiker auf die verheerenden Folgen der Reizüberflutung hin, sprechen von Sinnes-Bombardement, von Musik-Emissionen und Medienverseuchung und warnen mit guten Gründen vor einer Innenweltverschmutzung gewaltigen Ausmaßes, die sich der Umweltverschmutzung ebenbürtig an die Seite stellt.

Die Gefahr verdichtet sich in jüngster Zeit zu einem direkten Angriff auf die Autonomie des Ich. Die Verhaltensforschung der vergangenen Jahrzehnte hat der Medientechnik Möglichkeiten eröffnet, den Menschen unterschwellig zu beeinflussen, optisch durch heimliche Bildsuggestionen, akustisch durch Musik, die gezielt auf unbewußte Körperfunktionen wirkt, sowie durch Suggestionstexte, die unter der Musik verborgen sind und vom Bewußtsein nicht erkannt werden, obwohl sie das Ohr erreichen (Subliminaltechnik). Hier verschaffen sich die Medienproduzenten gewaltsamen Zugriff auf das Unterbewußtsein des Hörers und versuchen, ihn zu bestimmten Verhaltensweisen zu animieren, sein leiblich-seelisches Befinden manipulativ zu steuern oder sogar gewisse Inhalte an seinem kritikfähigen Wachbewußtsein vorbei in die Seele zu pressen, ohne daß er davon etwas wahrnimmt. Die Entdeckung versteckter Satansverherrlichungen auf Millionen von Rockplatten war ein erstes Beispiel dafür. Sie sorgte 1986/87 für erhebliches Aufsehen, doch wurde in der Erregung übersehen, daß zu diesem Zeitpunkt bereits viel wirksamere und modernere Manipulationsverfahren auf dem Medienmarkt zu finden waren, angefangen bei den ausgeklügelten Methoden der Werbung, über chronobiologisch verfeinerte Funktionelle Musik, Suggestionskassetten und Suggestopädie bis hin zu Subliminalkassetten, deren Einführung in der Bundesrepublik eben begonnen hatte.

Das vorliegende Buch, 1988 in erster Auflage erschienen, verfolgte damals das Ziel, eine interessierte Leserschaft mit diesen neuen Entwicklungen bekanntzumachen und über die Gefahren aufzuklären, die damit verbunden sind. Dabei war es mir ein besonderes Anliegen, nicht isoliert auf die Einzelphänomene zu blicken, sondern sie in einem inneren Zusammenhang mit den Bewußtseinsumbrüchen unserer Zeit zu sehen, wie es in dem vorangegangenen Büchlein "Bildschirmtechnik und Bewußtseinsmanipulation" schon versucht worden war, indem bestimmte Anregungen und Gesichtspunkte aus der Anthroposophie herangezogen wurden, um die geistigen Hintergründe all der technisch-wissenschaftlichen Innovationen und der mit ihnen einhergehenden Gefährdungen menschlicher Existenz auf der Erde wenigstens andeutungsweise ins Bewußtsein zu heben. Die von mir damals skizzierten Tendenzen und Entwicklungslinien sind seither nur noch stärker in Erscheinung getreten. Daher habe ich das Buch in seiner Grundstruktur belassen, jedoch durch neue Belege und Materialien ergänzt, die das Bild vertiefen, sowie durch Hinweise auf die aktuelle Diskussion und eigene Stellungnahmen dazu. Fragen der inhaltlichen Qualität dieser oder jener Medienproduktion bleiben unberücksichtigt. Es geht um die von der Güte des Programms völlig unabhängigen Wirkungen des Mediengebrauchs auf unsere Sinne, unser Wahrnehmungsverhalten, unsere seelische Konstitution. Aus der genauen Kenntnis dieser Wirkungen und aus der Zusammenschau der Einzelheiten soll sich ein menschenkundlich begründetes Urteil über das Medienproblem der Gegenwart ergeben, das uns in die Lage versetzt, für die Zukunft die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Die Anregung zu den nachfolgenden Ausführungen verdanke ich der Initiative von Elternschaften und Kollegien zahlreicher Waldorfschulen, die mich durch ihre vielfachen Bitten um Elternseminare und Vorträge zu fortwährender Beschäftigung mit dem Thema veranlaßt haben. So möge das Buch nun seinerseits allen denen, die Verantwortung tragen für die gesunde Entwicklung von Kindern und Jugendlichen in der heutigen Welt, Hilfe und Anregung sein!

Sprachverfall – Bildhunger – Medienflut

Wenige Monate nach der Beendigung des Ersten Weltkrieges, mitten in der politischen Umbruchsituation des Jahres 1919, begann Rudolf Steiner in Deutschland das Konzept einer umfassenden Neugestaltung des gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und geistigen Lebens in breitester Öffentlichkeit vorzutragen. Mit einer Fülle von Vorträgen, Diskussionen, Ansprachen vor Fabrikarbeitern, Aufsätzen und Büchern suchte er verständlich zu machen, daß eine Heilung des sozialen Organismus durch konsequente Dreigliederung möglich und notwendig sei. Die Einrichtung einer freien, pädagogisch autonomen Schule für die Arbeiterkinder der Stuttgarter Waldorf-Astoria-Zigarettenfabrik war nur eine von vielen Initiativen, die Anstöße und Vorbilder zur Verwirklichung des Konzeptes geben sollten. Steiner erhoffte sich von dieser Gründung, daß sie die Fruchtbarkeit der Anthroposophie für das praktische Leben in besonderem Maße erweisen werde.

Als die Eröffnung der Schule im Spätsommer 1919 bevorstand, unterbrach er seine rastlose Tätigkeit in Deutschland und reiste in die Schweiz nach Dornach, um die dortigen Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft mit seinen Intentionen bekannt zu machen. Unter dem Titel Die Erziehungsfrage als soziale Frage hielt er einen Zyklus von sechs Vorträgen über Die spirituellen, kulturgeschichtlichen und sozialen Hintergründe der Waldorfschul-Pädagogik. Darin machte er die Zuhörer auf die großen, weltumspannenden Zusammenhänge aufmerksam, in die hinein die neue Pädagogik geistig begründet werden sollte. Die Darstellung gipfelte in einem Ausblick auf die bevorstehenden Veränderungen der menschlichen Intelligenz: Wenn man heute von Intelligenz spreche, so führte er aus, dann müsse man wissen, daß sie nicht schon immer so war, wie wir sie gegenwärtig kennen. In früheren Jahrtausenden, als die Kulturen Ägyptens und Mesopotamiens in Blüte standen, sei sie eine ganz andere gewesen, und erst im Übergange zur griechisch-römischen Antike habe sie sich zu jener wissenschaftlich-rationalen Denkfähigkeit umgewandelt, die uns seither gewohnt und selbstverständlich ist. Damit aber sei ihre Entwicklung nicht abgeschlossen, vielmehr gehe sie jetzt einer erneuten Metamorphose entgegen und schicke sich an, wiederum eine ganz andere Gestalt anzunehmen. Vor dem Hintergrunde dieser menschheitsgeschichtlichen Wende müsse die beginnende Waldorfpädagogik gesehen werden. Welcher Art die Verwandlung sein werde, deutete er mit folgenden Worten an: In den nächsten Jahrhunderten und Jahrtausenden wird diese Intelligenz etwas anderes, etwas weit, weit anderes werden. Sie hat heute schon eine gewisse Anlage, unsere Intelligenz. Wir werden als Menschheit einlaufen in eine Entwickelung der Intelligenz so, daß die Intelligenz wird die Neigung haben, nur das Falsche, den Irrtum, die Täuschung zu begreifen und auszudenken nur das Böse.

Das wußten ja die Geheimschüler und wußten namentlich die Eingeweihten seit einer gewissen Zeit, daß die menschliche Intelligenz entgegengeht ihrer Entwickelung nach dem Bösen hin, daß es immer mehr und mehr unmöglich wird, durch die bloße Intelligenz das Gute zu erkennen. Die Menschheit ist heute in diesem Übergange. Wir können sagen: Gerade noch gelingt es den Menschen, wenn sie ihre Intelligenz anstrengen und nicht in sich ganz besonders wilde Instinkte tragen, nach dem Lichte des Guten etwas hinzuschauen. Aber diese menschliche Intelligenz wird immer mehr und mehr die Neigung bekommen, das Böse auszudenken und das Böse dem Menschen einzufügen im Moralischen, das Böse in der Erkenntnis, den Irrtum.

Das war mit einer der Gründe, warum die Eingeweihten sich die Männer der Sorge nannten, weil in der Tat, wenn man in dieser Einseitigkeit, wie ich es jetzt auseinandergesetzt habe, die Entwickelung der Menschheit betrachtet, so macht sie Sorge; Sorge gerade wegen der Entwickelung der Intelligenz. Es ist schließlich gar nicht umsonst, daß die Intelligenz dem gegenwärtigen Menschen so viel Stolz und Hochmut einflößen kann. Das ist, möchte ich sagen, der Vorgeschmack für das Böse-Werden der Intelligenz im fünften nachatlantischen Zeitalter, an dessen Anfang wir stehen. Und würde der Mensch nichts anderes ausbilden als seine Intelligenz, dann würde er auf der Erde ein böses Wesen werden. Wir dürfen nicht rechnen, wenn wir mit der Zukunft der Menschheit rechnen und diese Zukunft uns als heilsam denken wollen, wir dürfen nicht rechnen auf die einseitige Ausbildung der Intelligenz. Diese Intelligenz war noch in der ägyptisch-chaldäischen Zeit etwas Gutes, diese Intelligenz ist dann dasjenige geworden, was eine Verwandtschaft eingegangen hat mit den Kräften des Todes. Diese Intelligenz wird eine Verwandtschaft eingehen mit den Kräften des Irrtums, der Täuschung und des Bösen.

Das ist etwas, worüber sich die Menschheit eigentlich keiner Illusion hingeben sollte. Die Menschheit sollte unbefangen damit rechnen, daß sie sich zu schützen hat gegen die einseitige Entwickelung der Intelligenz.

Das viermalige Aussprechen desselben Gedankens, von Rudolf Steiner mit großem Ernst vorgetragen, läßt erahnen, wieviel Erstaunen und Betroffenheit, möglicherweise sogar Erschrockenheit auf den Gesichtern der Zuhörer zu lesen war. Dunkel und rätselhaft mag die Voraussage damals geklungen haben.

...

Bewußtseinsverengung und Naturzerstörung

Im vorangegangenen Kapitel wurden zwei Übungswege skizziert, die Rudolf Steiner bis in den erkenntnistheoretischen Ansatz hinein methodisch sicherte und immer weiter ausarbeitete, um eine wahrhaft "Menschliche Intelligenz" (Anthroposophie) zu inaugurieren, die nicht verzichtet auf die Bedingungen echter Wissenschaft und dennoch in den Bereich höherer Wahrheit vorzudringen vermag, so daß die angeblich unüberbrückbare Kluft zwischen menschlicher Erfahrung und göttlicher Offenbarung, die ihren Ausdruck findet in der unheilvollen Spaltung von Wissenschaft und Moral, sich zu schließen beginnt. Der eine dieser Wege führt durch die Pforten der Sinne zu neuer, tieferer Erfahrung der Außenwelt, indem der Beobachter sich bemüht, durch ständige Vertiefung und willentliche Durchdringung seiner Wahrnehmung immer mehr und mehr von der Wirklichkeit in sich aufzunehmen, gleichzeitig aber sich zwingt, nichts aus dem eigenen Spekulieren, Deuten und Beurteilen hineinzumischen, sondern in größtmöglicher Treue zur reinen Wahrnehmung sich innerlich ganz offenzuhalten für das unsichtbare Wirken derjenigen Intelligenz, die in der Welt draußen schaffend wirkt und webt, bis es gelingt, die gesteigerten Sinnesbilder so zu verdichten, daß die Natur ihr "offenbares Geheimnis" selbst auszusprechen beginnt. Der zweite Weg führt nach innen, beginnend mit einer Selbstbeobachtung des Denkens. Wenn man die Befangenheit in schattenhaft leeren Gedanken, deren Bezug zur Wirklichkeit stets ungewiß bleibt, durchstößt und jenseits aller Inhalte die Tätigkeit als solche ins Auge faßt, erweist sich das Denken, obwohl von uns selbst hervorgebracht, als eine objektive, schöpferisch tätige Weltenkraft von der gleichen Dynamik wie die schöpferischen Mächte, die draußen in der Natur walten, so daß die Realität des Geistes hier zu einer unmittelbaren, Subjekt und Objekt der Erkenntnis vereinenden Erfahrung wird, auf die sich exakte übersinnliche Forschung gründen läßt.

Beide Wege eröffnen dem heutigen Bewußtsein Wirklichkeitssphären, die ihm seit Kant als verschlossen galten; beide verlangen aber auch eine langwierige, harte Schulung, die Gewähr dafür bietet, daß Kritikfähigkeit und Urteilskraft, Bewußtseinshelligkeit und denkerische Klarheit nicht herabgedämpft oder gar aufgegeben, sondern festgehalten und zu höheren Graden weitergebildet werden. Die geistige Autonomie des Individuums zu wahren war Steiners höchstes Anliegen, weil in die Zukunft hinein nur dann vollmenschlich gewirkt werden kann, wenn wir die Lösung der Probleme nicht von außen erwarten, sondern in uns selbst die Kräfte entbinden, die zur Rettung der Natur, zur Heilung der Kultur, zur Fortentwicklung der Erde nötig sind.

Aus alledem geht hervor, welch fundamentale Bedeutung Rudolf Steiner der Aufgabe beimaß, unsere Wahrnehmung einerseits systematisch auszuweiten auf Bereiche, die jenseits des bisherigen Erfahrungshorizontes liegen, und andererseits ihre Intensität unablässig zu steigern. Diese Forderung, seinerzeit noch als dünkelhafte Mystik beiseitegeschoben, erweist sich heute als unausweichliche Zeitnotwendigkeit. Immer vernehmlicher äußern sich Wissenschaftler und Ökologen, wie dringend es sei, eine qualitative Veränderung unserer Weltbetrachtung und eine neue Gesinnung im Umgang mit der Natur herbeizuführen, und längst schon herrscht Konsens darüber, daß die Zukunft der Erde davon abhängt, ob es uns gelingt, unser Bewußtsein und Interesse auf die ganze Welt, auf die ganze Natur und die ganze Menschheit auszudehnen und die Eindringlichkeit unserer Beobachtung Stufe um Stufe zu erhöhen.

So leicht es indessen ist, sich darüber mit allen verantwortlich Denkenden zu verständigen, so schwer fällt doch die Verwirklichung. Denn die gegenwärtige Zivilisation steuert in die entgegengesetzte Richtung, indem sie alles begünstigt, was zu einer fortlaufenden Schwächung und Einengung der Wahrnehmungsfähigkeit beiträgt statt zu deren Erweiterung und Intensivierung. Die Gründe dafür sind mannigfaltig und kaum erschöpfend zu behandeln. Nur einige der wichtigsten sollen in den folgenden Abschnitten betrachtet werden.

...

zurück zur Seite über Manipulation