Auszüge aus Günter Hannich's
"Börsenkrach und Weltwirtschaftskrise"

Der Weg in den Dritten Weltkrieg

Wir müssen sagen, was wir denken, müssen tun, was wir sagen, und müssen sein, was wir tun. Alfred Herrhausen, ermordeter Chef der Deutschen Bank

zurück zur Seite über Freigeld

Vorwort

Unsere Weltordnung gilt heute offiziell als sicher und als große Errungenschaft, erlernt aus den Fehlern der Geschichte. Nach dem Scheitern des Kommunismus und dem Ende der Ost-West-Konfrontation scheinen keine Alternativen zum kapitalistischen System mehr denkbar zu sein.

Diese sogenannte "Beste aller Welten" zeichnet sich nach Meinung der Verantwortlichen durch stetiges Wirtschaftswachstum und Stabilität aus, was langfristig allen Menschen der Welt zu einer glücklichen Zukunft in friedlicher Umgebung verhelfen soll.

Was die Medien in diesem Zusammenhang gerne vergessen, sind die Hintergründe des Systems. Wer jedoch diesen Funktionsmechanismen auf die Spur gekommen ist, erkennt, daß unsere Geldordnung den entscheidenden Faktor in der Menschheitsentwicklung darstellt. Der Kapitalismus ist dabei auf ständige Expansion angewiesen, andernfalls kommt es zum schnellen Zerfall. Wie ein Krebsgeschwür muß das Finanzsystem immer größere Teile der Gesellschaft vereinnahmen, um selbst am Leben zu bleiben. Da jedoch in einer endlichen Welt kein unendliches Wachstum möglich ist, muß die Gesellschaft, wie wir sie kennen, zum Zusammenbruch verurteilt sein, solange die Zerstörungsmechanismen nicht beseitigt sind. Alle großen Kulturen sind bisher am falschen Geldsystem zugrunde gegangen und es gibt keinen Grund, warum heute die Entwicklung anders verlaufen sollte.

Viele Leser werden beim Studium dieses Buches erschrecken, wenn ihnen klar wird, daß die scheinbar vorhandenen Sicherheiten überhaupt nicht existieren. Aus logischen Zusammenhängen wird ihnen klar, daß unser System letztlich für die meisten zu unerträglichen Zuständen wie Armut und Elend führen muß, am Ende unter Umständen sogar zu einem neuen Weltkrieg. Durch die technischen Errungenschaften steht damit die Menschheit erstmals vor dem Abgrund, in den sie durch ein fehlerhaftes Kapitalsystem zu stürzen droht. Besonders erstaunlich ist es., daß die Verantwortlichen nicht versuchen, den Zerfall aufzuhalten. Im Gegenteil: Sie verschärfen die Lage sogar noch durch falsche Entscheidungen und Inkompetenz. Die Angst vor einer drohenden Wirtschaftskrise sitzt den Entscheidungsträgern offenbar so tief in den Knochen, daß sie keine Mühen und Kosten scheuen, beispielsweise einen effizienten Überwachungsapparat aufzubauen, um die Bevölkerung, die sie eigentlich vertreten und schützen sollten, zunehmend zu kontrollieren. Damit laufen scheinbar gezielte Vorbereitungen auf einen Crash ab, in dem die Bevölkerung weitgehend enteignet werden wird. Erstaunlicherweise stehen die meisten Menschen dem Geschehen völlig tatenlos gegenüber und haben jede Hoffnung auf eine Besserung der Lage aufgegeben. Sie verhalten sich wie der Gefangene im Kerker, der sich mit seiner Unfreiheit abfindet. Er wird nie die Freiheit finden, selbst wenn alle Türen offen stehen würden, weil er nie darauf vorbereitet war. Hingegen wird derjenige frei werden, der sich mit den Hintergründen beschäftigt hat und die Gelegenheit nutzt. Deshalb ist der Leser dazu aufgerufen, die Zusammenhänge mit wachen Augen zu betrachten und nicht den Kopf in den Sand zu stecken. Nur so kann der Ablauf der Geschehnisse beeinflußt und geändert werden.

Unser Geldsystem

Für die meisten Menschen ist unser Geldsystem eine gegebene Größe, über die man sich keine weiteren Gedanken zu machen braucht. Die Medien sind ebenfalls bemüht, diese Haltung zu verstärken, indem die Bevölkerung dazu aufgerufen wird, Geldangelegenheiten am besten sogenannten Experten zu überlassen. Allgemein heißt die Devise: "Über Geld spricht man nicht, man hat es". Es scheint bei diesem Thema engagierte Kreise zu geben, die ein breites Interesse an finanziellen Fragestellungen nicht wünschen. Wer jedoch die Geschehnisse unserer Welt verstehen und prognostizieren will, der kommt um eine grundlegende Beschäftigung mit unserem Geldwesen nicht herum.

Auffällig ist, daß alle Entwicklungen in der Gesellschaft und der Wirtschaft immer schneller ablaufen: Dauerte es etwa über vierzig Jahre, bis die deutsche Staatsverschuldung eine Billion DM erreichte, wurde die nächste Billion schon nach weiteren sechs Jahren erreicht. Genauso verhält es sich mit der Arbeitslosigkeit, der Ausbreitung der Armut, oder mit der Umweltzerstörung. Das Leben scheint heute geradezu rasant abzulaufen, ohne daß die meisten eine Erklärung dafür finden könnten. Mit dieser zunehmenden Geschwindigkeit, mit der die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Prozesse ablaufen, sind jedoch automatisch auch wachsende Instabilitäten für das Gesamtsystem verbunden. Es ist wie bei einem Fahrzeug, das immer schneller beschleunigt wird. Am Anfang ist es noch einfach, Hindernissen auf der Straße bei kleiner Geschwindigkeit auszuweichen, später reichen schon kleine Lenkbewegungen, um das Vehikel von der Fahrbahn zu schleudern. Interessant ist hier der Vergleich mit natürlichen Ordnungen, die immer zu einer Stabilisierung der Geschwindigkeit beziehungsweise des Zuwachses tendieren.

Ein Lebewesen wächst beispielsweise am Anfang sehr schnell, wobei die Geschwindigkeit des Zuwachses mit zunehmender Zeit kleiner wird und beim Erreichen einer optimalen Größe ganz aufhört. Alle Systeme, die in der Natur zu beschleunigtem Wachstum neigen, zerstören sich am Ende selbst: So vermehren sich etwa Tumorzellen mit zunehmender Zeit immer schneller im Körper des Menschen und verdrängen gesundes Gewebe, bis der Mensch mit dem Tumor zugrunde geht. Ordnungen, die nicht zu einem stabilen Zustand tendieren, sind damit im realen Raum zum Zusammenbruch verurteilt, da es in einer endlichen Welt kein unendliches Wachstum geben kann. Es muß also in unserem Wirtschaftssystem einen Faktor geben, der eine beschleunigte Entwicklung erzwingt.

Ein System mit Verfallsdatum

Die Grundlage unseres Wirtschaftssystems stellt das Geld als Tauschmittel dar. Es ist deshalb sinnvoll, den Störfaktor in diesem Bereich zu suchen. Geld wird heute jedoch nur dann weitergegeben oder investiert, wenn ein ausreichend hoher Zins bezahlt wird. Anhand einer einfachen Rechnung läßt sich jedoch zeigen, daß dieses Zinssystem mit zunehmender Zeit immer instabiler werden und letztlich zerbrechen muß: Hätte jemand z.B. im Jahre Null nur einen Pfennig zu 5% Zins angelegt (bzw. einen Pfennig Schulden gemacht), hätte diese Anlage im Jahre 1466 den Wert einer Erdkugel aus Gold und im Jahr 1990 bereits den Gegenwert von 134 Mrd. Erdkugeln aus Gold erlangt. Heute wären daraus schon unvorstellbare 200 Milliarden Erdkugeln aus Gold entstanden.

Eine ähnliche Rechnung brachte der Investmentexperte Marc Faber, als er betonte, daß noch keine einzige wachsende Geldanlage je langfristig funktioniert habe. Er nahm an, daß ein Dollar im Jahre 1000 zu 5% Zins angelegt worden wäre, und kam zum Ergebnis, daß allein die Zinsgewinne dieses Vermögens heute das gesamte Bruttosozialprodukt der Welt um das Viermillionenfache übertreffen würden! An diesen Beispielen wird deutlich, daß ein auf Zins aufgebautes System immer nur wenige Jahrzehnte funktionieren kann, bis es von neuem zusammenbricht. Da das Zinssystem nur begrenzte Zeit funktioniert, handelt es sich um ein System mit Verfallsdatum. Jedes Zinssystem stellt dabei ein sogenanntes Schneeballsystem dar, also eine Ordnung, die nur so lange funktionieren kann, solange es mehr Einlagen gibt als Zinsen ausgezahlt werden müssen. Während jeder bei Zinsversprechen von 100% im Jahr an ein "Schneeballsystem" denkt, also an ein System, das die versprochene Rendite nur durch neue Anlage überhaupt bezahlen kann, wird kaum jemand bei einem Zins von 5% mißtrauisch. Dabei explodiert jedes auf Zins aufgebaute System, wie obige Rechnungen verdeutlichen. Nur läuft das Hundert-Prozent-System zwanzigmal schneller als das Fünf-Prozent-System. Während das Hundert-Prozent-Schneeballsystem innerhalb weniger Jahre zusammenbricht, dauert es bei unserem Zinssystem mehrere Jahrzehnte. Weil der Zerfall nur alle zwei Generationen stattfindet, erkennen nur die wenigsten die Zusammenhänge. Hier stellt sich die Frage, warum fast alle Wirtschaftsordnungen in der Geschichte auf einem Zinsmechanismus basierten und letztlich damit zum Scheitern verurteilt waren. Wichtig ist dabei, sich über die grundlegenden Marktfunktionen klar zu werden.

Das Geld als Tauschmittel

Geld wurde zuallererst für seine Funktion als Tauschmittel geschaffen. Nur durch die Verwendung eines Tauschmittels ist Arbeitsteilung und damit Marktwirtschaft überhaupt möglich. Die folgenden Definitionen einiger Grundbegriffe verdeutlichen die Zusammenhänge.

Arbeitsteilung: Das Wirtschaftssystem, in dem wir leben, basiert auf der Arbeitsteilung. Wenn sich jeder auf die Tätigkeiten konzentrieren kann, die seiner Begabung und seinem Talent entsprechen, ist die gesamte Arbeitsleistung viel höher, als wenn der einzelne nur für den eigenen Bedarf produzieren würde.

Marktgesetz von Angebot und Nachfrage: Voraussetzung für die Arbeitsteilung ist das Vorhandensein eines freien Marktes, auf dem jeder seine erzeugten Waren anbieten kann. Am Anfang werden die Produkte noch gegen benötigte Güter direkt eingetauscht. Die Preisbildung erfolgt nach Angebot und Nachfrage. Wenn beispielsweise viele Leute Kleidungsstücke kaufen, weil sich ein neuer Modetrend gebildet hat, dann übersteigt die Nachfrage das Angebot.
Der Schneider kann deshalb den Preis erhöhen, bis gerade noch genügend Nachfrage da ist, um das Angebot gegen andere Güter einzutauschen. Diese "Marktwirtschaft" wirkt dabei selbstregulierend: Weil Kleidung teuer ist, werden viele Schneider dazu animiert, die Produktion zu steigern, womit das Angebotsdefizit beseitigt wird. Wenn, im anderen Fall, die Menschen wenig Kleidung kaufen, das Angebot nach Kleidung also die Nachfrage übersteigt, kann der einzelne Schneider keinen so hohen Tauschpreis für seine Ware verlangen. Durch den niedrigen Preis werden viele Schneider dazu gebracht, die Produktion zu reduzieren, da diese sich momentan nicht lohnt. Dadurch wird der Angebotsüberschuß wieder beseitigt. Der Markt reguliert, auch im Tauschhandel, mittels des Preises den Austausch so, daß Angebot und Nachfrage sich langfristig ausgleichen.

Vereinfachung des Tauschhandels durch das Geld: Bei fortgeschrittener Arbeitsteilung ist dieser Naturaltausch jedoch zu ineffektiv. Der Kleidungsproduzent möchte Kleidung gegen Brot eintauschen, der Bäcker hat in der heißen Backstube jedoch keinen Bedarf für warme Kleidung – der Handel kommt nicht zustande, eine weitergehende Arbeitsteilung und damit Leistungssteigerung im Wirtschaftssystem wäre unmöglich.

Auch kann der Tausch nur am gleichen Ort zur selben Zeit erfolgen und die Bezahlung von Dienstleistungen wäre sehr schwierig und umständlich. Die Lücke wird durch ein neutrales Tauschmittel geschlossen – Geld. Damit ist der Produzent nicht mehr auf direkten Austausch angewiesen. Der Tauschhandel kann von Ort und Zeit abgekoppelt werden. Der Kleidungshersteller kann nun seine Waren an Käufer absetzen, die jenes neutrale Tauschmittel besitzen. Mit dem Geld kann er nun an einem anderen Ort zu anderer Zeit das benötigte Brot erwerben. Auch Dienstleistungen können einfach mit dem Tauschmittel abgegolten werden. Da es wenig Sinn macht, beispielsweise Kieselsteine als "Geld" zu benutzen, da sie in beliebiger Menge von jedem zu beschaffen sind, boten sich in der Vergangenheit seltene Edelmetalle als Tauschmittel an.

Geld wird gehortet

Edelmetallgeld: Mit der Verwendung von Edelmetallen fingen jedoch die ersten Probleme im Geldwesen an. Die durch Arbeitsteilung gesteigerte Leistungsfähigkeit des Wirtschaftssystems erforderte eine entsprechende Vermehrung des umlaufenden Geldes. Die Kapazität der Bergwerke konnte jedoch nicht in gleichem Umfang zur Edelmetallgewinnung gesteigert werden. Das Gleichgewicht zwischen umlaufender Geldmenge und Produktivität der Wirtschaft war gestört. Da der steigenden Gütermenge eine gleichbleibende Geldmenge gegenüberstand, stieg der "Tauschwert" der Währung an, bzw. verfielen die Warenpreise.

Geldhortung: Zunehmend lohnte es sich, Geld anzusammeln und nicht auszugeben, weil die Kaufkraft des Tauschmittels durch den Preisverfall anstieg. Durch die Geldansammlung verschärfte sich die Problematik weiter: Die umlaufende Geldmenge wurde noch kleiner, dementsprechend stieg die Kaufkraft der Währung und die Preise verfielen. Durch fallende Preise wiederum lohnte es sich, noch mehr Geld anzusammeln. Heute nennen wir solch einen Teufelskreislauf "deflationäre Abwärtsspirale". Damals war die Anlage in Edelmetallgeld die bei weitem attraktivste Anlageform.

Erzwungene Expansion: Im Prinzip gab es in der Vergangenheit für Staaten nur eine Möglichkeit, dem Zusammenbruch des Finanzsystems zu entgehen: die gewaltsame Expansion, um durch Ausplünderung der eroberten Provinzen das Zentrum durch zufließende Tauschmittel am Leben zu erhalten. Die Geschichte des Römischen Reiches ist hier das beste Beispiel. Als die militärische Expansion des Reiches an Grenzen stieß, kam es in kurzer Zeit zu einer raschen Verarmung der Bevölkerung, und mit dem Finanzwesen ging auch die Gesellschaft unter.

Papiergeld: Eine Verbesserung ergab sich erst, als Papiergeld im letzten Jahrhundert eingeführt wurde. Leider war auch dieses immer noch bis in die 70er Jahre unseres Jahrhunderts vom Edelmetall abhängig. Das Geld mußte lange Zeit mit Gold gedeckt sein, das heißt, ein gewisser Anteil des Geldvolumens mußte in Form von Gold bei der Notenbank hinterlegt werden. Damit wurde die Problematik des sinkenden Geldvolumens sogar noch verschlimmert. Beispielsweise war in Deutschland Ende der zwanziger Jahre das Geld zu einem Drittel mit Gold gedeckt. Nach dem Börsenkrach in Amerika im Oktober 1929 wurde Gold aus Deutschland abgezogen. Um die Dritteldeckung aufrechtzuerhalten, mußte die Notenbank für eine Mark abgezogenes Gold drei Mark Papiergeld aus dem Umlauf nehmen. Eine gravierende Deflation stürzte große Teile der Bevölkerung in bittere Armut. Letztlich kann sogar der Zweite Weltkrieg auf die entstandene Wirtschaftskrise ursächlich zurückgeführt werden. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die entscheidenden Währungen weltweit an den US-Dollar gekoppelt. Und dieser war mit Gold gedeckt. Man hatte praktisch bis zum Zerfall dieses "Bretton Woods Systems" Anfang der siebziger Jahre weiterhin eine goldgedeckte Währung. Heute ist die Edelmetallwährung weitgehend zugunsten ungedeckter Papierwährung zurückgedrängt worden. Dies erlaubt es der Notenbank, die benötigte Menge an Tauschmittel dem Bedarf der sich entwickelnden Wirtschaft anzupassen. Leider wurde dadurch jedoch noch nicht eine der größten Fehlerquellen im Finanzsystem behoben.

Die Entstehung des Zinses

Preisindex: Entscheidend für die Entwicklung eines durchschnittlichen Preisniveaus und damit der Stabilität des Gesamtsystems ist das Verhältnis der Produktion zur umlaufenden, nachfragenden Geldmenge. Das durchschnittliche Preisniveau muß stabil sein, um für die Marktteilnehmer planbare Bedingungen zu gewährleisten. Nur wenn die richtige Menge an Tauschmitteln – im Vergleich zur Gütermenge – umläuft, kann der durchschnittliche Preisindex stabil sein. Steigt die umlaufende Geldmenge im Vergleich zu dem zu tauschenden Warenangebot, so steigen die Preise, man spricht von einer "Inflation". Steigt dagegen die Warenmenge und die Geldmenge bleibt konstant, bzw. sinkt die umlaufende Geldmenge zum gleichbleibenden Güterangebot, so gehen die Preise zurück, eine "Deflation" entsteht.

Umlaufende Geldmenge: Die Notenbank kann zwar die ausgegebene Geldmenge exakt quantifizieren, hat jedoch auf den Geldumlauf nur wenig Einfluß. Da Geld im Gegensatz zur Ware praktisch beliebig zurückgehalten werden kann, entstehen wieder ähnliche Probleme wie bei der Edelmetallwährung. Je nach Entwicklung der Gesamtwirtschaft, vor allem des Preisniveaus, wird Tauschmittel dem Geldkreislauf entzogen. So gehen Untersuchungen der Deutschen Bundesbank davon aus, daß nur etwa ein Drittel des Bargeldbestandes in Umlauf sei. Ein weiteres Drittel befinde sich im Ausland, das letzte Drittel werde im Inland gehortet.

Entstehung des Zinses: Die Eigenschaft des Geldes, daß es dem Umlauf entzogen werden kann, versetzt den Geldbesitzer in die Lage, für die Weitergabe des Tauschmittels einen Preis zu verlangen, den Zins. Wird der Zins nicht bezahlt, ist es für den Zahlungsmittelinhaber lukrativer, das Tauschmittel zu horten. Er verschiebt dann den Kauf oder die Investition in die Zukunft, womit die Anbieter in Absatzschwierigkeiten kommen. Der Warenanbieter und Arbeiter steht unter Angebotsdruck, da seine Güter an Wert verlieren (Kartoffeln verfaulen, Zeitungen verlieren ihre Aktualität usw.), wohingegen der Besitzer des Geldes abwarten und durch diesen Vorteil einen Zins erwarten kann. Während die Arbeitskraft zur Aufrechterhaltung des Einkommens angeboten werden muß, kann das Geld warten, bis die Möglichkeiten für eine Investition günstiger sind. Das bedeutet, daß der Zins aus der Überlegenheit des Geldes über Ware und Arbeit resultiert. Oder anders ausgedrückt, entsteht der Zins aus den beiden Eigenschaften des Geldes als Tauschmittel und Schatzmittel (Wertaufbewahrungsmittel). Beide Funktionen sind nicht zur selben Zeit gleichzeitig erfüllbar: Ist das Geld im Umlauf, wirkt es als Tauschmittel, kann jedoch nicht gleichzeitig als Schatzmittel im Tresor dienen. Ist jedoch die Währung umgekehrt als Schatzmittel im Tresor, fehlt sie als Tauschmittel in der Wirtschaft. Eine langfristig stabile Wirtschaft ist unter diesen Bedingungen nicht denkbar.

Zinseszins: Verschärft wird die Situation noch durch den explodierenden Zinseszinsmechanismus: Wenn Zinsgewinne nicht konsumiert, sondern wieder neu angelegt werden, werfen sie in der nächsten Zinsperiode erneut Rendite ab – es entsteht ein exponentieller, sich selbst beschleunigender Geldzuwachs. Exponentielle Entwicklungen verlaufen am Anfang sehr langsam, steigern jedoch die Geschwindigkeit des Zuwachses mit der Zeit kontinuierlich. In einer begrenzten Welt muß solch ein Zuwachs, wie in der Anfangsbetrachtung gezeigt wurde, letztlich zum Zusammenbruch führen. Durch den Zinseszinseffekt wird nun die Gesellschaft in immer weniger Gewinner und immer mehr Verlierer aufgespalten. Wer viel Geld besitzt, kann viel Kapital verzinst anlegen und nach einem Jahr das um den Zinssatz gewachsene Vermögen erneut anlegen. Die übrige Bevölkerungsmehrheit muß die Zinslast erarbeiten. Dadurch kommt eine Minderheit, ohne Leistung erbringen zu müssen, in den Genuß steigender leistungsloser Einkommen. Mit zunehmender Zeit gewinnen das Geld und damit die Kapitalbesitzer im Wirtschafts- und Gesellschaftsleben immer mehr an Bedeutung. Die Marktwirtschaft, welche den Preis nach Angebot und Nachfrage reguliert, verwandelt sich in den Kapitalismus, in dem allein die Rendite und die Geldmacht den Markt bestimmt. Daraus müssen sich immer größere gesellschaftliche Probleme entwickeln: Die Arbeit verliert an Ansehen genauso wie leistungslose Zinseinkünfte an Bedeutung gewinnen – letztlich wird die Welt auf den Kopf gestellt, die Werte kehren sich um. Deshalb ist eine Zinswirtschaft immer mit einem Zusammenbruch der gesellschaftlichen Ordnung verbunden. Hier stellt sich die Frage, wie die Entwicklung in der Vorphase des Zerfalls aussieht.

Die explodierende Verschuldung

Der auffälligste Hinweis darauf, daß das Finanzsystem auf einen Zerfall zusteuert, stellt die auseinanderklaffende Schere zwischen Geldvermögen und Verschuldung dar. Jede Mark, welche heute als Vermögen existiert, ist verzinst angelegt. Durch den Zins wächst das Geldvermögen jedes Jahr weiter an. Damit Zinserträge weiter fließen können, muß das angewachsene Geld wieder verliehen werden. Was der eine als Zinsgewinn hat, muß ein anderer als Verschuldung verbuchen. Es entsteht also ein Verschuldungszwang, indem die Zinsgewinne automatisch zu einer ansteigenden Gesamtverschuldung führen müssen. Ein Schuldenabbau ist deshalb niemals möglich. Im Gegenteil: die Schulden müssen bis zum Bankrott explodieren.

In den Gesamtschulden sind die Kredite von Staat, Unternehmen und Privathaushalten enthalten. Mittlerweile können die Zinsen für Verpflichtungen nicht mehr gezahlt werden: So müssen neue Kredite aufgenommen werden, um die Verbindlichkeiten zu begleichen. Es kommt zum Zinseszinseffekt, das heißt, die aufgelaufenen Zinsen müssen im nächsten Jahr wieder mitverzinst werden. Seit 1960 wuchsen die Gesamtschulden dadurch um 10% jedes Jahr, was bedeutet, daß diese sich nahezu alle sieben Jahre verdoppeln! Beachtet werden muß, daß Schulden und Geldvermögen um den genau gleichen Betrag anwachsen, da zunehmende Geldanlagen der reichen Minderheit in Deutschland in gleichem Maße zwangsläufig zunehmende Kredite für die Volkswirtschaft bedeuten. Die von der breiten Bevölkerung durch Verschuldung von Staat, Wirtschaft und Privathaushalten erarbeiteten Zinsen schlagen sich wieder bei den Vermögensbesitzern als Guthaben nieder, das im folgenden Jahr zu noch höheren Zinserträgen führt. Weil es sich hier um ein Zinseszinswachstum handelt, beschleunigt sich die Diskrepanz zwischen Schulden und Geldvermögen – die Schere zwischen arm und reich öffnet sich immer schneller! Erkennbar wird dies an der deutlich gesteigerten Zunahme der Geldvermögen bzw. Schulden zwischen 1990 und 1995 im Vergleich zu den vorausgegangenen Jahren. In den Wachstumsjahren der 60er und 70er Jahre konnte die wachsende Zinslast noch durch größeres Wirtschaftswachstum kompensiert werden, heute fällt der Zuwachs der Produktivität immer mehr hinter der Zunahme an Zinslast zurück – es muß in anderen Bereichen "gespart" werden. Ein "Wegsparen" der Verschuldung, wie es heute in Politik und Medien propagiert wird, ist jedoch volkswirtschaftlich unmöglich.

Sparen hilft nicht

Häufig wird die Volkswirtschaft mit einem verschuldeten Einzelhaushalt verglichen, der durch Sparmaßnahmen seine Kreditlast verringert. Dies ist zwar für Einzelelemente einer Volkswirtschaft möglich, jedoch nicht in der Gesamtbilanz aller Teilnehmer. In der gesamten Volkswirtschaft muß die Summe der Geldvermögen immer gleich groß sein wie die Gesamtverschuldung, da Vermögen auf der einen Seite Schulden auf der anderen bedeuten. In unserem Geldsystem steigen die Geldvermögen durch die Verzinsung an, weshalb die Verschuldung um den gleichen Betrag wachsen muß. Es ist unmöglich, die Verschuldung abzubauen und die Geldvermögen anwachsen zu lassen. Ein Rückgang der Kreditaufnahme würde zu einem fallenden Zinssatz führen, weil sich der Zins aus Angebot und Nachfrage nach Krediten bildet. Fällt nun der Zinssatz unter eine Mindesthöhe (Liquiditätsgrenze), kommt es zu einer Deflation, also einem Rückzug des Geldes, weil niemand bereit wäre, überhaupt noch Kapital ohne Mindestverzinsung zu verleihen. Die Folgen wären Massenarbeitslosigkeit, Verarmung der Bevölkerung, Hunger und Bürgerkrieg. Die Neuverschuldung dient letztlich dazu, den Zinssatz auf genügender Höhe zu halten, um ein Abgleiten der Volkswirtschaft in die Deflation zu verhindern. Aus diesem Grund ist die Gesamtverschuldung seit Bestehen der Bundesrepublik noch nie ohne Reduzierung der Geldvermögen zurückgegangen. Wenn sich die Unternehmen nicht ausreichend verschuldeten, mußte der Staat eingreifen und die schnell wachsenden Geldvermögen als entsprechende Kredite nehmen. Weder Sparmaßnahmen der Unternehmen und des Staates noch der Wunsch nach Politikern mit Sparsinn können diesen Verschuldungszwang unterbrechen. Mit Recht wies deshalb der Chefanalyst der Investmentfirma Brunswick Warburg, Peter Boone, darauf hin, daß kein Land der Erde seine Schulden ohne eine Finanzierung von außen bezahlen könne. Die Sparmaßnahmen betreffen daneben in der Regel vor allem die Opfer des Zinssystems. Den Rentnern werden Nullrunden verordnet, Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe wird eingefroren und der Verteidigungshaushalt zurückgefahren. Daß jedoch durch diese "Einsparungen" die Kaufkraft, gerade diejenige der unteren Schichten, weiter eingeschränkt und damit die Wirtschaftsleistung ebenfalls eingeschränkt wird, gerät in Vergessenheit. Wie ungerecht dieses "Sparen" ist, zeigte eine Erklärung der Christlich Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), die darauf hinwies, daß das geplante Sparpaket zu einem Viertel zu Lasten der Arbeitslosen ginge, indem ihre Rentenanwartschaften bis zu 50 Prozent gekürzt würden. Die staatliche Verschuldung hat inzwischen eine solche Größenordnung erreicht, daß beispielsweise im Schweizer Ferienort Leukerbad die staatliche Infrastruktur, wie das Rathaus oder der Busbahnhof, verkauft werden muß. Wenig beachtet wird im allgemeinen, daß eine Zunahme der Verschuldung auf der einen Seite die Steigerung von Vermögen auf einer anderen Seite bedeutet, daß es also zu einer Vermögenskonzentration kommen muß.

Vermögenskonzentration

Mit der Ausweitung der Geldvermögen werden diese automatisch in immer weniger Händen konzentriert. Da Geld heute Macht bedeutet, entsteht mit der Vermögenskonzentration zunehmend auch ein Gewaltenmonopol. In einer UNO-Studie wurde 1996 bekanntgegeben, daß weltweit die 358 reichsten Milliardäre fast die Hälfte des Welteinkommens besitzen. Würde man statt des Einkommens das Vermögen berücksichtigen, wäre der Gegensatz noch viel größer.Nicht nur weltweit, sondern auch innerhalb der reichen Nationen vollzieht sich eine große Verschiebung von Kapital in immer weniger Hände. Das Ergebnis dieser Umverteilung zeigt sich in der Vermögensverteilung der Bevölkerung: Im Jahr 1996 veröffentlichte die CDA (Christlich Demokratische Arbeitnehmerschaft – eine CDU-Organisation), daß sich 80% des Produktivvermögens in Deutschland in den Händen von nur 3% der Bevölkerung befinde. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) berichtete 1997, daß sich ein Drittel des Nettogeldvermögens auf nur 6% der Haushalte konzentrierte. Allerdings wurden bei der statistischen Erhebung gerade die reichen Haushalte mit einem monatlichen Nettoeinkommen von 35.000 DM und mehr nicht erfaßt. Jedoch soll sich nach einer überschlägigen Rechnung 40% des Geldvermögens gerade in dieser Bevölkerungsschicht befinden, weshalb diese Analyse der Vermögensverteilung noch als sehr optimistisch gelten kann.

Auch in den USA geht es den meisten Amerikanern heute schlechter als vor 25 Jahren, weil der gesamte Vermögenszuwachs nur denjenigen zugute kam, die schon vorher im Überfluß lebten. Auf der anderen Seite sind immer mehr Haushalte überschuldet. Hierbei trifft das verbreitete Argument, daß diese Menschen "selbst schuld" seien, weil sie nicht mit Geld umgehen könnten, häufig nicht zu. Die Düsseldorfer Verbraucherzentrale zog in einer Bilanz ihrer Schuldnerberatung 1996 den Schluß, daß 40% der Betroffenen nicht durch schlechten Umgang mit Geld und unnötige Anschaffungen wie Autos oder Möbel in die Schuldenfalle tappten, sondern weil sie gezwungen gewesen seien, Kredite aufzunehmen, nur um den normalen Lebensunterhalt bestreiten zu können. Für jeden dritten Bürger in Deutschland reicht heute schon das monatliche Einkommen nicht mehr aus, um den gewohnten Lebensstandard zu halten.

Deutlich wird die ungleiche Vermögensverteilung auch anhand des Konsums. Wurden noch vor wenigen Jahren teuere Luxusartikel und preiswertere Normalartikel in einem konstanten Verhältnis verkauft, geht heute der Anteil der normalen Produkte zurück, während derjenige für exklusive Luxusartikel sogar ansteigt. In der Wassersportbranche werden etwa kleine Boote immer weniger gekauft, während der Absatz für Schiffe über 1 Mio. DM sehr gut läuft. Ursache ist der reale Einkommensverlust beim Mittelstand, der die Freizeitausgaben einschränken muß, während die Wohlhabenden einen entsprechenden Vermögenszuwachs erfahren, der es erlaubt, den Freizeitsektor kräftig auszudehnen. Der exponentielle Anstieg der Empfänger von Sozialhilfe und der entsprechenden staatlichen Aufwendungen ist ebenfalls ein deutliches Warnsignal dafür, daß in breiten Gesellschaftsschichten ein Kapitalabfluß zu verzeichnen ist, der viele Menschen an den Rand des Existenzminimums treibt.

Die Sozialausgaben im Staatshaushalt steigerten sich dabei seit 1960 um mehr als 1800%. Jede dritte Mark muß inzwischen für die Sozialleistungen ausgegeben werden. Dabei bleibt das Abrutschen in die Armut keineswegs auf eine kleine Gesellschaftsschicht beschränkt. Experten gehen davon aus, daß zwei Drittel der Gesellschaft einmal im Leben in eine vorübergehende Armutsperiode geraten werden. Im vorangegangenen Abschnitt wurde deutlich, daß sich ein Mittelstand in Deutschland, wenn es ihn je gab, schon längst aufgelöst hat. Letztlich besteht heute nur noch die Einteilung in reiche Schichten, also Menschen, die mehr Vermögen besitzen als sie benötigen und arme Schichten, also Leute, die auf abhängige Beschäftigung angewiesen sind, um den gewohnten Lebensstandard zu halten.

Die guten Reichen?

Dabei sind natürlich die Reichen immer bemüht, durch kleine Almosen den Eindruck zu erwecken, daß ihnen die Gesellschaft am Herzen liege. So gründeten die meisten Milliardäre wie Bill Gates oder David Rockefeller Stiftungen für gesellschaftliche Zwecke. Axel Springer wurde angeblich angetrieben von seinem Gottvertrauen. Aus diesem Glauben heraus habe er sich immer für andere eingesetzt. Politisch soll er immer die Benachteiligten unterstützt haben. John D. Rockefeller, der Begründer eines Ölkonzernes, sah sich als Handlanger Gottes, der andere ausbeuten mußte, um den göttlichen Auftrag auszuführen, Ordnung in die chaotische Welt zu bringen. Eine Kapitalrendite von 25 Prozent machte ihn kaum stutzig. Mit seinem Vermögen von zwei Milliarden Dollar und damit 1,53% des amerikanischen Sozialprodukts (zum Vergleich: Bill Gates hat heute mit 90 Mrd. Dollar gerade 0,58% der Wertschöpfung), galt er als reichster Mann aller Zeiten. Bis zum Ende seines Lebens behielt er den Glauben, daß Gott ihm all das Geld zum Wohl der Menschen geschenkt habe. Er galt als größter Philanthrop aller Zeiten. Der Großspekulant George Soros hat schon mehr als eine Milliarde Dollar gespendet, um demokratische und karitative Organisationen aufzubauen. Sich selbst bezeichnet er als einen finanziellen Philanthropen und philosophischen Spekulanten.

Vergessen wird dabei, daß der Schaden, den die Reichen über den Kapitalentzug und ihren ruinösen Wettbewerb verursachten, nicht durch Almosen wettgemacht werden kann. Ohnehin geht es bei den gespendeten Beträgen nur um winzige Bruchteile des angesammelten und immer größer werdenden Vermögens. Außerdem entziehen die Reichen durch ihre leistungslose Kapitalanreicherung anderen, fähigeren Menschen die Grundlage für eine Existenz. Der Reichtum wäre kein Problem, würde er aus der Leistungsfähigkeit des einzelnen resultieren. Dies ist jedoch nicht der Fall: Wer es schafft, legal oder illegal, mit oder ohne Fleiß, einen Grund-Kapitalstock aufzubauen, der mehr Zins abwirft, als er zum Leben braucht, braucht fortan nie mehr Leistung zu erbringen. Seine Erben fangen erst gar nicht an zu arbeiten und werden trotzdem immer reicher. Wie wir später noch sehen werden, geht jedoch dieser Reichtum mit einer Ausbeutung der arbeitenden Bevölkerung einher. Mit solch einem System wird die Rangverteilung in einer Gesellschaft zementiert. Der Tüchtige hat keine Möglichkeit mehr, nach oben zu kommen, weil die Lenkung der Gesellschaft ganz in die Hände der Geldbesitzer gelangt. Allein aus diesem Grund muß, wie noch gezeigt wird, unsere Gesellschaft letztlich untergehen. Wie wenig auf die Hilfe der Reichen zu geben ist, kann an der schnell wachsenden Armut auf der Welt gesehen werden. Gerade dann, wenn eine Notlage die Menschen in Bedrängnis bringt, fordern die Geldbesitzer durch hohe Zinsen noch das Letzte aus der Bevölkerung. Die Not, die durch den Zins entsteht, ist dann meist viel größer als das eigentliche Unglück. Im Frühjahr 2000 gab es beispielsweise in Indien eine extreme Trockenheit. Unter verzweifelten Bauern entstand darauf eine Selbstmordwelle, da sie durch den Ernteausfall nicht mehr in der Lage waren, ihre Schulden bei Zinsen von bis zu 120 Prozent an Banken und Geldverleiher zurückzuzahlen. Wo war hier die wohltätige Hand der Reichen?

Wenig beachtet wird auch, daß die Zunahme von Vermögen in wenigen Händen automatisch ein Machtmonopol erzeugt.

Geld regiert die Welt

In diesem System hat die große Mehrheit der Bevölkerung wenig Möglichkeiten, langfristig einer Verarmung zu entgehen. Die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich zunehmend. Mit dem Vermögen konzentriert sich jedoch auch die Macht in immer weniger Händen, nach dem Sprichwort "Geld regiert die Welt". Einem immer kleineren Teil der Bevölkerung sind die Mittel gegeben, über ihr Kapital das Schicksal von Millionen Menschen zu lenken. Demokratische Abstimmungen spielen hier kaum eine Rolle, da auch ein demokratischer Staat immer auf Geld angewiesen ist und dieses letztlich nur bekommt, wenn er die Entscheidungen umsetzt, welche die Mächtigen im Hintergrund wünschen. Einen guten Einblick in die herrschenden Kreise und die Hintergründe des Finanzsystems gab der Leiter der Bank of England der Jahre 1910–1919, Vincent Vickers.

Ein Bankier klagt den Kapitalismus an

Vincent Vickers richtete kurz vor seinem Tod besonders scharfe Worte gegen das kapitalistische Finanzsystem:

Lassen Sie uns die Wahrheit erkennen. Das Menschengeschlecht leidet doch nicht unter unvermeidlichen, unabänderlichen Verhältnissen, über die es keine Macht hätte, sondern unter den Auswirkungen jener unehrlichen Einrichtungen, die von Menschen erfunden und vorsätzlich geschaffen wurden.

An diesen schlechten Verhältnissen hat auch die Wissenschaft ihren Anteil:

Diese Fachleute haben hoffnungslos versagt. Was not tut, das ist eben etwas weniger Wissenschaft und ein wenig mehr gesunder Menschenverstand.

Daß die Ursachen der Mißstände einfach sind und von jedem durchschnittlichen Menschen nachvollzogen werden können, betonte Vickers ebenfalls:

Soweit wir dazu imstande sind, müssen wir unseren Mitmenschen helfen, das Wichtige zu verstehen. Das können wir unbesorgt tun, denn das, was da mißverstanden werden sollte, wird nicht wesentlich sein, es wird sich verlieren und wieder vergessen werden, während das Richtige daran sich schon durchsetzen wird.

Die Ursachen des Krieges erkannte der Banker ebenfalls in den Verhältnissen und nicht im Wesen des Menschen, wie viele auch heute noch irrtümlich glauben:

Denn wo Zufriedenheit ist, kann es keinen Krieg geben, wo aber Unzufriedenheit ist, da werden auch Krieg und Kriegsgefahr bestehenbleiben.

Besonders seinen Kollegen, den Bankiers, warf Vickers Inkompetenz und Falschheit vor:

Der Ausdruck "Gesunde Finanzen" ist seinem Wesen nach eine Erfindung der Bankiers und Kreditgeber. Er bedeutet starres Festhalten an überlieferten Verhältnissen ... Zum Nachteil des geldbedürftigen Kreditnehmers begünstigt dies System natürlich den Reichen ... Bei Gefahr jedoch sind diese Vertreter "Gesunder Finanzen" die ersten im Rettungsboot, sie sind die ersten, die das sinkende Schiff verlassen, aber die letzten, wenn es gilt, Männer für den Dienst an den Rettungspumpen zu stellen. Der Begriff schließt auch die Weigerung in sich ein, zu verstehen, daß das Geld ausschließlich ein Mittel sein sollte, eine gerechte Tauschwirtschaft zu ermöglichen und daß es in Wirklichkeit so etwas wie "Gesunde Finanzen" nicht geben kann, solange eben dieser ganze Wirtschaftszustand ungesund ist.

Dabei ist heute wie damals das Finanzwesen nicht das Hilfsmittel für die Wirtschaft, sondern es ist umgekehrt, daß die gesamten Produktivkräfte nur dazu da sind, dem Kapitalsystem zu dienen:

Die Finanzindustrie, die Börsenbankiers und die Börse werden durch dieses Auf und Ab der Wirtschaft reich, ja sie sind zum großen Teil sogar auf dieses Wechselspiel der Konjunkturen und die Veränderung des Warenpreisniveaus angewiesen, um daran zu profitieren. Die produktive Industrie hingegen kann nur bei stabilem Markt, bei unveränderlichem Preisstand und nur dann auch gedeihen, wenn heftige Konjunkturschwankungen unmöglich sind.

Das Kapitalwesen hat nach Vickers nur den einzigen Willen, die ganze Welt möglichst hoch zu verschulden:

Je größer die Verschuldung des Volkes, um so größer ist der Profit der Geldverleiher, und auf die selbe Weise der Geldmarkt der Welt ... Die Geldverleiher sind zu ihrem Gedeihen fast ausschließlich auf die Verschuldung anderer angewiesen ... Das Schlagwort der Geldverleiher ist stets: "Der da hat, dem wird auch gegeben werden."

Klar stellte der Leiter der Bank von England heraus, daß die Finanzindustrie völlig unproduktiv ist:

Alle diese Aktienhändler, diese Börsenmakler und Jobber, diese Geld- und Goldspekulanten, Geldverleiher, Anleihe-Emissionäre, alle diese Banken und Versicherungsgesellschaften schaffen überhaupt nichts. Sie sind die Drohnen unserer Volksgemeinschaft. Sie leben ausschließlich und sind abhängig von dem Honig, den andere sammeln. Sie leben auf Kosten des schaffenden Volkes.

Die einzige Änderung der Verhältnisse wäre ein neues Geldsystem:

Das Geld muß aufhören zu sein, was es heute ist: ein ständiger Entzündungsherd, ein Hindernis auf dem Wege zum Fortschritt der Weltwirtschaft, eine Behinderung der Glückseligkeit der Menschen und ihres Strebens nach einem dauernden Frieden unter den Völkern ... Das Wohlbefinden und der Wohlstand des einzelnen Menschen, das Glück der Volksgemeinschaft, die Zufriedenheit des ganzen Volkes und der Friede der Welt sind hauptsächlich, wenn nicht gänzlich und allein, ein Geldproblem.

Einzige Möglichkeit der Lösung wäre es, ein Geld zu schaffen, welches immer in Zirkulation ist und damit nicht als Machtinstrument mißbraucht werden kann:

Das Kriterium der Wirtschaft ist die Zirkulation. Diese aber spielt sich auf dem Rücken des Geldes ab und ist mit diesem identisch.

Die Macht war schon damals ganz in den Händen der Finanzleute:

Aber die Demokratie ist in Gefahr, aus dem einfachen Grunde, weil ihre Regierung den Sonderinteressen jener Kreise hörig ist, die das Finanzwesen beherrschen und die es in ihrer Macht haben, die Nation in eine Finanzkrise hineinzutreiben, wenn eine diesen Interessen widersprechende Gesetzgebung ihre Vormachtansprüche bedrohen sollte.

Zur Lösung meinte Vickers, als Insider aus dem Kapitalgeschäft, daß man keinesfalls auf die Mithilfe der Nutznießer des Systems bauen könne und man sich sogar vor ihnen in acht nehmen sollte:

Wir müssen aber auch einsehen, daß dieses Problem Krieg bedeutet, Krieg gegen die Diktatur der internationalen Finanz, die jede Schlüsselposition der Kampffront besetzt und die Macht hat, bloß auf die Drohung eines Angriffs hin entscheidend wichtige Hilfstruppen abzuschneiden ... Unsere demokratische Ordnung und das bisherige Finanz- und Geldwesen können nicht mehr zusammen bestehen bleiben. Eines muß dem anderen den Weg freigeben.

Das Geld ist völlig seiner Aufgabe als Tauschmittel beraubt worden und zu einem Machtmittel für eine Minderheit degeneriert:

Die Aufgabe und der Zweck des Geldes ist, den Austausch von Waren und Leistungen zu ermöglichen und zu erleichtern. Der einzige Wert des Geldes liegt in dem Wert der Waren, deren Austausch mit anderen Waren oder Leistungen uns eben das Geld ermöglicht ... Aber es stand und steht noch immer dem Fortschritt und der Besserung der sozialen Verhältnisse im Wege; es verursacht allgemeine Unruhe und eine Neigung, durch Gewalt zu erreichen, was auf andere Weise nicht zu erreichen ist.

Die Geldbesitzer sind im kapitalistischen System immer bestrebt, daß das Geldwesen nicht angetastet werde:

Es ist vielleicht ganz natürlich, daß diese Leute etwa so argumentieren: "Möge das Volk und mögen die Regierungen nur dafür sorgen, daß nichts geschieht, was die Macht und die Kraft des Geldgeschäfts schwächen könnte, denn Geld regiert die Welt. Solange wir das internationale Bank- und Finanzgeschäft intakt und Störungen von ihm fernhalten, werden am Ende schon alle Dinge in Ordnung kommen." Aber genau dieses Argument und die besonders in den letzten fünfzehn Jahren für den Profit und für die Aufrechterhaltung dieses Geldgeschäfts eingefädelte und betriebene Geldpolitik sind es, die in das gegenwärtige Weltchaos geführt haben.

Den Bankiers gab er die Schuld dafür, daß die Wirtschaft und damit die gesamte Gesellschaft immer im Verderben enden muß:

Solange diese Finanzgangster nicht endgültig ausgerottet sind, gibt es auch kein volles Vertrauen zu unserer Wirtschaft.

Konsequent trat Vickers als Gouverneur der Bank of England zurück und kündigte den Finanzleuten den "Kampf bis zum Tode" an. Obwohl Vickers keine umsetzbare Lösung zum Geld nannte, sind seine Hinweise für uns doch wichtig, weil sie uns einen Einblick in die Kreise der Finanzleute gestatten. Es scheint tatsächlich so zu sein, daß die Nutznießer des Zinskapitalismus völlig skrupellos sind, daß ihnen weder das Schicksal einzelner Menschen, noch das eines Landes oder der Welt etwas bedeutet. Hier hilft es wenig, einen Haß auf diese Leute zu entwickeln, da sie letztlich nur die legalen Mechanismen ausnutzen. Wenn sich die Bevölkerung aus Denkfaulheit heraus ausnutzen läßt, dann geschieht ihnen das im Prinzip sogar zu Recht. Wie dargestellt wurde, ist die Entstehung des Zinses mit großen wirtschaftlichen Problemen verbunden. Nicht umsonst wurde dieser Störfaktor in allen Weltreligionen als verwerflich erkannt und gebrandmarkt.

...

zurück zur Seite über Freigeld