29. Dezember 2007
Abzocke
Die Callcenter-Falle

Mehr als 5000 Callcenter gibt es inzwischen in Deutschland. Davon sind ungefähr die Hälfte reine Service-Center, die zur Unterstützung der Kunden ihren Dienst versehen. Die andere Hälfte betreibt aktive Verkaufsgespräche am Telefon, Outbound genannt, und das häufig gesetzwidrig. Denn in Deutschland gibt es ein Gesetz zum Schutz der Verbraucher, daß Verkaufsgespräche erst nach ausdrücklicher schriftlicher Erlaubnis des Angerufenen eingeleitet werden dürfen.

Rund 40.000 Mitarbeiter waren Ende 2006 in Callcentern beschäftigt. Man schätzt, daß jährlich ca. 40.000 neue Mitarbeiter hinzukommen, in den letzten zehn Jahren hat sich die Zahl der Callcenter-Mitarbeiter verzehnfacht, die Branche boomt wie verrückt. Das ist aber beileibe kein Wirtschaftswunder, sondern basiert größtenteils auf ganz ordinärer Abzocke, wie der inzwischen 65jährige Günter Wallraff im Sommer diesen Jahres mit seiner neuesten Aktion dokumentierte. Als Michael G., auf 49 getrimmt, heuerte er bei mehreren großen Call-Centern an mit dem Ziel, die Mißstände in der Branche aufzudecken. Das ZDF brachte am 11. Dezember eine Dokumentation dieser neuesten Wallraff-Aktion.

Sein erster Einsatzort war das Callcenter CallOn im Köln-Turm, das zur Oberklasse der Branche zählt: 400 Beschäftigte an fünf Standorten in Deutschland, Spanien und den Niederlanden erwirtschaften einen Jahresumsatz von 70 Millionen Euro. Das Hauptgeschäft mach CallOn mit System-Lottoscheinen. Es verspricht dem Kunden am Telefon eine 2400-fach höhere Chance auf den großen Gewinn. Die Telefonverkäufer verschweigen jedoch, daß es sich um eine Tippgemeinschaft mit 240 Spielern handelt, was bei einem Millionengewinn pro Spieler gerade mal knappe 4.200, - Euro macht. Den Reibach macht das Callcenter mit den 64,- Euro, die ein Mitspieler pro Monat für diese Illusion bezahlt. Die gewieften Telefonverkäufer wurden speziell dafür geschult, den potentiellen Käufer über den Tisch zu ziehen. Das wichtigste Ziel sind dabei die Bankdaten des Kunden. Diese Telefonverkäufer arbeiten unter falschem Namen und mit Rufnummern-Unterdrückung.

Klaus Müller von der Verbraucherzentrale NRW warnt eindrücklich davor, die Kontodaten preiszugeben. Nach Schätzungen des Bundesverbandes geschieht das täglich zigtausend Mal.

Doch werden nicht nur Privatleute Opfer von Telefondrückern. Ein Mühlheimer Callcenter hat sich auf Geschäftskunden spezialisiert. Derzeit lief dort eine Aktion, um Jugenschutztafeln an Gastwirte zu verkaufen. Die Mitarbeiter rufen unter dem Vorwand, im Auftrag des deutschen Jugendschutzes zu arbeiten, Gastwirte an, drohen mit Geldbußen, falls keine aktuellen Jugendschutzgesetze ausgehängt werden und kommen so meist schnell und problemlos zu einem Abschluß: sie verkaufen eine Seite Gesetzestext im Wert von weniger als 5,- Euro für 69,- Euro. Die dortigen Mitarbeiter machen genau das, was ihnen gesetzlich untersagt ist: nicht nur, daß sie schamlos lügen, sie suchen systematisch ihre Opfer aus den Branchenbüchern aus, rufen unerwünscht an und machen Druck. Stadt für Stadt wird auf diese Weise abgegrast, Gastwirte werden eingeschüchtert, indem mit verschärften Kontrollen und einem Bußgeld von 200,- Euro gedroht wird. Aus dieser absichtlich und gesetzwidrig geschürten Angst wird dann ein lukrativer Deal. Dabei gibts den Text kostenlos im Internet.

Die Abzocke findet aber noch an ganz anderer Stelle statt, nämlich am Mitarbeiter. Selbst mit der größtmöglichen Zahl an Abschlüssen kommen die meisten Mitarbeiter nicht über 800,- Euro netto hinaus, und das mit unbezahlten Überstunden. Man darf sich nun selber denken, welcher Gesinnung diese Callcenter-Betreiber sind ...